Wie der Stern über dem Stall von Bethlehem stehen blieb,
so möge Gott sein Licht über deinem Leben leuchten lassen.
Wie die Engel den Frieden auf Erden verkündeten,
so möge Gottes Frieden auch dein Haus und dein Herz erfassen.
Wie die Hirten sich stören ließen von den Engeln,
so möge Gottes Güte auch dein Herz öffnen für das Gute.
Wie die Tür im Stall von Bethlehem offen stand,
so möge auch dir Christus die Tür zum Leben sein.
Wie Ochs und Esel die Krippe ihres Herrn kannten,
so mögest auch du erkennen, dass Gott es gut mit dir meint.
Wie Maria alle Worte in ihrem Herzen bewegte,
so mögest auch du dich von Gottes Wort bewegen lassen.
Wie Josef und Maria für das Kind sorgten,
so mögest auch du dich der Menschen annehmen, die Gott dir anvertraut hat.
Wie das Kind von Maria und Josef zugleich Gottes Kind war,
so mögest auch du immer Gottes Kind sein und bleiben.
Das Ende des Ersten Weltkrieges liegt über 100 Jahre und das Ende des Zweiten Weltkriegs heuer genau 75 Jahre zurück. Wir wollen nicht schweigen, wir wollen erinnern. Wir wollen nicht verdrängen, sondern gedenken. Wir gedenken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker. Wir gedenken mit den Worten des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Jedes Gedenken schließt mit der Bitte zu Gott: Schenke uns deinen Frieden
Gebote haben keine eigene Kraft
Die Christen und die christlichen Kirche haben
eine lange Geschichte mit Geboten und Verboten.
Lange haben wir gebraucht zu verstehen,
dass auch das nachdrückliche Bestehen auf dem,
was geboten oder gar verboten ist,
noch lange nicht bedeutet,
dass geschieht, was geboten ist.
Der Tonfall in Politik und in den sozialen Medien
wird immer härter, martialischer und beschwörender.
Er zeigt einen Kontrollverlust an.
Deshalb muss der Andersdenkende
schuld sein, verantwortungslos,
falsch und total daneben,
denn er will nicht begreifen,
was jetzt geboten ist.
Darum wird er nieder gemacht,
ironisch-bissig entblößt,
wird ihm das Menschsein abgesprochen
und schlimmere Sachen noch obendrauf gepackt.
Das ist es, was wir gerade weithin
in Deutschland und Europa erleben.
Warum ist das so?
Weil das Gebot keine eigene Kraft hat.
Nur Menschen haben die Kraft, Gebote zu halten
– oder sie finden sie nicht.
Und dann –
wer dann andere dazu bringen will,
das Gebotene einzuhalten
der sollte wissen, dass es nur einen Weg dafür gibt
– den schmalen Pfad
zu den Herzen der Menschen,
der folgende Namen hat
und noch viel mehr Namen:
Ermutigen
Mut machen
liebevoll trösten
um Geduld bitten
einen langen Mut wünschen
Gebotenes freundlich antragen
die Herzen stärken
zu den Brunnen des Erbarmens führen
zu den Gärten der Geduld
einander mit Großzügigkeitsgirlanden schmücken
selber bereit zu sein
das Kreuz als Krone zu tragen
und darin nicht unsicher werden
an den aufrechten, schmerzhaften Gang erinnern
mit neuen Gedanken erfrischen
das Zaghafte und Unterwürfige nach oben abschütteln
um
das Gebotene
von Herzen anzunehmen
und zu tun
dem Nächsten zur Wehr
Gott befohlen,
ihr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
der Güte Gottes
in Pfaffenhofen und anderswo
Ihr/ Euer
Eberhard Hadem
16. Oktober 2020 MUT MACHEN 98
Lange habe ich hier unter MUT MACHEN nichts mehr geschrieben. Ich war mir unsicher, wie ich die Situation beurteilen und was ich sagen soll. Seit ein paar Tagen ist mir klarer geworden, was unsere Aufgabe – persönlich, kirchengemeindlich und als Gesellschaft – in den nächsten Wochen und Monaten ist:
Weg von der Angst – hin zu mehr Verantwortung
Verantwortung statt Angstmache – das war schon seit März immer der Auftrag an alle in Deutschland. Aber die exponentiellen Zahlen im Oktober sind besorgniserregend.
Trotz hoher Infektionszahl sind noch relativ wenige Menschen im Krankenhaus vom Tod bedroht; es sind überwiegend Menschen jüngeren und mittleren Alters, die das Virus besser bekämpfen können. Auch bei den Infektionen sind es eher die Jungen, die sich infiziert haben.
Aber jeder kann sich im Groben ausreichen, wann die Infektion auch bei den Älteren und Ältesten unter uns ankommen könnte, denn die Zahlen steigen enorm.
D.h. die nächsten 4 Wochen entscheiden darüber, ob wir einen zweiten Lockdown erleben mit allen katastrophalen Folgen für unser wirtschaftliches und soziales Leben.
Oder: Ob wir diese Situation noch abwenden können, weil alle Menschen jüngeren, mittleren und hohen Alters konsequent aufpassen und die AHA-Regeln anwenden:
- A = Abstand halten
- H = Hygieneregeln einhalten
- A = Alltagsmaske aufsetzen, wo es geboten ist
Vielen fällt es immer schwerer, diese Regeln einzuhalten. Über einen langen Zeitraum hinweg wird man müde. Das ist verständlich. Dennoch lasst uns Geduld und einen langen Mut behalten – um unserer Nächsten willen!
In der Bibel heißt es bei Mose und Jesus:
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Würden wir das wörtlich übersetzen, hieße der Satz:
Du sollst deinen Nächsten lieben – denn er ist wie du.
Genauso gefährdet wie du.
Genauso mutlos wie du es manchmal bist.
Genauso voller Hoffnungen wie du sie hast.
Genauso glücklich oder unglücklich wie du manchmal bist.
Genauso voller Fragen wie du sie hast.
Genauso unsicher, ängstlich, sorgenvoll wie du.
Wir – du und ich und mein und dein Nächster – können etwas tun:
Beten für uns selbst
Beten für andere
Achten auf uns selbst
Achten auf andere
Dietrich Bonhoeffer hat gesagt: Liebe ist der Wille, Gemeinschaft zu halten.
Und nicht zu sagen: ‚Mir ist alles wurscht! Ich mach, was ich will.‘
Weg von der Angst – hin zu mehr Verantwortung.
Lasst uns gemeinsam geduldig bleiben.
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
24. September 2020 MUT MACHEN 97
Ein Freund von mir, Theologe und Dichter, hat einmal über das Bibelwort „Der Herr gibt’s den Seinen im Schlaf“ (Ps. 127,2) nachgedacht. Über Gott nachdenken und von ihm sprechen geschieht heutzutage viel im Sitzen (theologia sedens) oder im Gebet (theologia orans). Von einer Theologie im Liegen (theologia cubans) wissen die wenigsten, obwohl wir sie in den kommenden dunkleren Monaten des Jahres gut gebrauchen könnten: ‚Wer hören will, der liege‘. Wie’s gemeint ist, davon handelt das Nachfolgende:
theologia cubans
sitzende theologie oder kniende theologie
theologia sedens oder orans
bei welcher vorgehensweise kommt mehr heraus
darüber hat hans urs nachgedacht
ist schon länger her
er kam zum korrekten ergebnis
knieend vor sitzend, soviel war ihm klar
orans derogat sedens
der ober sticht den unter
herz sticht hirn
geist gießt sich ein ins hörende herz
doch wer sich nichts sagen lässt, phantasiert nur
eingebung erhält allein der betende mensch
ohne hingabe gibt’s kein beten
wer sich hingibt, kniet praktisch von selbst
trotzdem bleibt knien unzulänglich
ermöglicht nicht volles verständnis
die höchste methode ist es nicht
weit besser noch ist eine andere form
mit ihr wird ungetrübte einsicht erst möglich
„liegende theologie“ sei sie genannt
theologia cubans
vom himmel hoch kommt, was gut ist
so hat man’s früher noch gewusst
intuitio ex caelo
allein relevant ist der geist von oben
gnadenhafte eingebung „anothen“
den seinen gibt’s der herr aber im schlaf
das ist die biblische fundierung
sofern’s die noch braucht
begreife dies wort
doch lesen allein nützt nichts
auch denken führt noch nicht bis ans ziel
man prüfe es selber nach
wer’s tut, wird wissen
es ist so
mensch, leg’ dich hin
öffne dein herz
werde still
hab’ geduld
höre hinein und hinauf
von oben kommt der geist
oben ist innen
glücklich, wer’s begreift
die draußen hören nur geräusche
doch drinnen spielt die himmlische musik
geist formt sich zum klang
klang wird wort
wort wird sinn
der diener des herrn redet nicht, was drunten ist
sondern allein den sinn von droben
andernfalls schweigt er
um mehr zu hören und recht zu reden
im sitzen wird nur der rücken krumm
es fehlt an hingabe außerdem
knien kostet zu viel kraft
zu wenig entspannt ist die physis
rätselhaft bleibt’s den einen
nicht lang genug ist die andacht der anderen
darum lockere körper und geist
mach’ sie empfänglich
gottes wort zu absorbieren
deutlich und klar
wer hören will, der liege
Wolfgang Müller, Bern 2020
16. September 2020 MUT MACHEN 96
Weil du mir wichtig bist
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift des Centrums für Partnerschaft, Entwicklung und Mission der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ‚Mission EineWelt‘ (30. Jg. September bis November 2020 Seite 42) fand ich einen Mut machenden Aufkleber: „Weil du mir wichtig bist“.
Man kann den Aufkleber über die E-Mailadresse spenden@mission-einewelt.de kostenlos bestellen. Und unterstützen kann man auch.
Das Bild macht deutlich, dass jede und jeder etwas tun kann. Der dazugehörige Text wird nachfolgend abgedruckt:
Covid 19 zeigt, dass wir besser aufeinander aufpassen müssen.
Aufeinander aufpassen – jede/r benötigt ab und zu die Hilfe der Mitmenschen.
Die eine kann Hilfe besser annehmen, der andere nicht so gut.
Nun gibt es die Möglichkeit, etwas zu geben – nun sind wir gefragt.
Lasst uns Masken tragen – sie schützen uns nicht selbst, sondern DICH.
Wenn hoffentlich bald jede/r von uns eine Maske trägt, ist somit jede/r von uns geschützt.
Wir können nicht viel tun, aber Hänge waschen, Abstand halten, Maske tragen sind kleine, wirksame Beiträge.
Um auf die Wichtigkeit dieses Themas hinzuweisen und ein Zeichen zu setzen, haben wir Aufkleber und Button – „WEIL DU MIR WICHTIG BIST“ – hergestellt, die Sie gerne kostenlos bei uns bestellen können unter spenden@mission-einewelt.de.
Auch in unseren Partnerkirchen werden schon fleißig Masken hergestellt und getragen.
In Tansania produzierten Schneiderin Grace und ihre Kolleginnen 1.100 Behelfsmasken.
Diese wurden an Onkologie-Patienten und -Patientinnen am KCMC, an die Pflegekräfte der dazu gehörigen Krebs-Palliativ-Patienten und -Patientinnen sowie an das Krankenhaus Ilembula und die Streetworker/innen von MeWaiKi verteilt.
Mission EineWelt finanziert dieses Projekt.
Weil du mir wichtig bist!
Pass gut auf dich auf!
Sie möchten diese Aktion und die Arbeit von Mission EineWelt unterstützen?
Dann spenden Sie an:
Mission EineWelt
Evangelische Bank eG
IBAN: DE12 5206 0410 0001 0111 11
BIC: GENODEF1EK1
Stichwort: 1410157 - Weil Du mir wichtig bist!
11. September 2020 MUT MACHEN 95
Corona-Holzwege
Es gibt kluge Gedanken in der Welt, die sich dennoch widersprechen: Wir sollen das Virus fürchten. Zugleich sollen wir niemandem Angst machen.
Vor einigen Monaten, zu Beginn des Lockdowns und auch noch währenddessen waren viele Wissenschaftler davon überzeugt, dass zum Beispiel Kinder und Senioren zu den Hochrisikogruppen gehören. Inzwischen wissen wir, dass Kinder viel weniger bedroht sind als männliche ältere Erwachsene. Noch immer gehören Ältere unter uns weiter zu einer Hochrisikogruppe – aber wir begreifen, dass wir nicht stellvertretend für sie urteilen und entscheiden können, auch nicht dann, wenn es von uns im besten Sinn gut gemeint ist. Sie müssen ein kräftiges Mitspracherecht dabei haben, ob und wie sie sich der Gefahr des Virus aussetzen und dafür ein Maß an Würde behalten können.
Als Jugendlicher habe ich viel Zeit im Wald verbracht. Bäume waren meine Freunde. Durch den Lichteinfall der Sonne verändert sich das Bild vom Wald mit jedem Baum, der sich mir in den Weg stellt oder der nicht da ist. Die Perspektive ist immer anders.
Schon sehr früh habe ich gelernt, was ein Holzweg ist. Als Sprichwort meinen wir, wenn einer auf dem Holzweg ist, sei er auf dem falschen Weg. Eigentlich ist der Holzweg ein guter Weg, denn wenn der Revierförster im Wald entscheidet, dass im Wald zu viele Bäume stehen, dann müssen die markierten Bäume umgeschlagen werden. Durch die Schneise, die dabei im Wald entsteht, werden die Bäume weggeschafft. So entsteht ein Weg, der nur in den Wald hinein und wieder auf demselben Weg wieder herausführt, der Holzweg eben.
Man kann ihn insofern auch eine Sackgasse nennen, wenn man glaubt, es sei ein normaler Waldweg, der weiterführt. Es kommt eben auf die Perspektive an: Ein Holzweg wird angelegt, um Bäume aus dem Wald herauszuschaffen. Ist alles Holz draußen und man betritt diesen Weg, erkennt man wieder die einzelnen Bäume und sieht nicht den Wald vor lauter Bäumen.
Ich spreche hiermit die Einladung, die Perspektive zu wechseln, an jene unter uns aus, die fest davon überzeugt sind, wir wären mit allen Corona-Maßnahmen auf einem Holzweg. Lasst uns nicht über ‚den Wald‘ (‚die Corona-Situation‘) reden, sondern die einzelnen Bäume (‚die einzelnen Maßnahmen‘) anschauen: Welche sind gut und welche nicht; welche erscheinen brauchbar oder nicht. Das Wissen, dass es auch andere Holzwege geben könnte, widerspricht nicht der Einsicht, dass ein Holzweg kein Irrweg, sondern ein Weg zu mehr Erkenntnis ist.
Gott befohlen
Ihr/Euer Eberhard Hadem
06. September 2020 MUT MACHEN 94
Gott und der Zweifel
In einem Gemeindebrief dieser Tage in Norddeutschland fand ich folgenden Ausschnitt eines längeren Textes von Marei Glüer, Vikarin an der evang.-lutherischen Kirchengemeinde St. Nikolai in Wismar, zum Thema ‚Gott und Corona‘:
Im Gesangbuch der Evangelisch-Methodistischen Kirche gibt es eine deutsche Übersetzung des irischen Volksliedes „Be thou my vision“. Dort heißt es:
Freund meiner Hoffnung, vollende mein Tun.
Mitten im Lärm lass‘ mein Innerstes ruhn.
In der Gewissheit, dass das, was zerstört,
von dir geheilt und zu dir gehört.
Als das Gottesbild meiner Kindertage Riss bekam, war es dieser Liedtext, der mich weitertrug. Zwar scheint es schwer, Gott als Ursprung dessen zu glauben, was uns verzweifeln lässt. Zugleich aber scheint es mir noch viel schwerer zu sein, ihn NICHT als Ursprung dessen zu glauben. Denn das würde ja bedeuten, eine andere Macht stecke dahinter und stünde stetig mit Gott im Kampf. Ich glaube aber an EINEN Gott. Die Schöpfermacht, die Quelle des Lebens, der wir entspringen – als Menschen, die mit Gaben und Defiziten in eine Welt gestellt sind, die Sonnen- und Schattenseiten hat.
(in: Gemeindebrief der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinden Wismar, Sep-Nov 2020, Seite 5)
Mich beeindruckt sehr, dass eine junge Theologin der Frage nicht ausweicht, die viele Menschen bewegt, der sich aber kaum jemand im Raum der Kirche stellt: Wie sollen wir Gott und Corona zusammendenken? Marei Glüer folgt dabei nicht dem populären Mainstream, der nur drei Antworten auf diese Frage zulassen möchte:
- Das Böse ist sinnlos und zufällig.
- Das Böse habe gar nichts mit Gott zu tun.
- Nicht Gott ist böse, sondern der Mensch.
In die Versuchung der moralisierenden Zuspitzung der 3. Antwort geraten leider nicht nur Verlautbarungen aus kirchlichen Kreisen. Eine kleinere Zahl von Menschen wissen bei ihren Demonstrationen gegen die Maßnahmen der Bundesregierung sogar ganz genau, wer diese bösen Menschen (oder bösen Mächte) sind.
Marei Glüer folgt einer geistig-geistlichen Gegenbewegung. Sie wagt sich an das Gottesgeheimnis, das in Worten nicht auflösen kann, was es verbirgt: Gott als Ursprung dessen zu glauben, was uns verzweifeln lässt. Zu Ende gedacht, kann dieser Gedanke manchen Menschen einen freien Glaubensmut schenken. Aber dieser Gedanke kann auch ganz gewiss viele Menschen verzweifeln lassen. Glüer deutet ihr Glaubenswagnis an: An den einen Gott zu glauben, der mit keinen anderen Göttern oder Mächten kämpft.
Meine Frage ist: Womit kämpft Gott dann? Das zumindest möchte ich auch glauben: Dass Gott kämpft! Nur: Um was? Um seine Schöpfung? Natur wie Mensch? Und wie soll ich mir das ‚Kämpfen Gottes‘ vorstellen?
Gott befohlen
Ihr/Euer Eberhard Hadem
01. September 2020 MUT MACHEN 93
Leben ist nicht ballistisch
Jeder Wandel fängt damit an, dass Sicherheiten zerstört werden. Das erleben wir gerade. Viele wollen das nicht wahrhaben. Sie versuchen, eine Normalität zu leben, wie sie es verstehen – ohne Corona. Sie wollen die alte Sicherheit zurück. Das ist verständlich, aber für alle gefährlich, im Denken und beim Handeln.
Lasst uns an die denken, die krank sind und sterben. Unser Dank geht an diejenigen unter uns, die hier helfen und lindern. Wir denken auch an die, die auf kurze oder lange Frist in ihrer beruflichen Existenz zu den Opfern von Corona gehören.
Jede Unterstützung ist wichtig. Im Gegensatz dazu zerstört jede rückwärtsgewandte Demonstration, die die alten Sicherheiten zurück will, und jeder verächtliche oder wütende Beitrag in einer Diskussion das Vertrauen zwischen uns, das wir gerade jetzt brauchen.
Hilfe und Unterstützung ist das eine, das notwendig ist. Das andere, was es auch braucht, ist das Nachdenken über mich selbst. Auch über uns – als Betroffene und Beteiligte – wie wir die Zukunftsprobleme angehen wollen, regional, national, europäisch, global. Je vernetzter wir das Leben erleben, desto größer scheint die Verunsicherung zu sein. Alles Globale wirkt bedrohlich.
Als Jugendlicher dachte ich, das Leben sei wie ein Pfeil. Schnurgerade flöge es seine Bahn in die Zukunft. Ist ein ballistisches Leben ein gutes Leben? Ein Leben, das seine gradlinige, regelmäßige Bahn geht, ohne Brüche, ohne Ängste, ohne Übergänge?
Veränderungen machen Angst, aber ohne Angst gibt es keine Entwicklung. Übergänge zwischen alten und neuen Zuständen sind wertvolle Zwischenzeiten. Der etwas unkonventionelle Organisationspsychologe Karl Weick sagt einmal:
In diesem kurzen Zeitraum zwischen Überraschung und Streben nach Normalisierung erhalten Sie die seltene Gelegenheit, zu entdecken, was Sie nicht wissen. Es ist einer jener kostbaren Momente, in denen wir unser Wissen erheblich erweitern können.
Diesen Moment erleben wir jetzt.
Gott befohlen beim Denken und Handeln in diesen Tagen
Ihr/Euer Eberhard Hadem
28. August 2020 MUT MACHEN 92
Was Denken kann
Der römische Philosophenkaiser Marc Aurel sagt einmal:
Unser Leben ist das,
wozu unser Denken es macht.
Deutschland ist in sich uneins,
wie es in unserem Alltag weitergehen soll.
Die einen lehnen die Maskenpflicht ab, weil es in ihrem Bundesland so wenige Erkrankungen gibt. Sie handeln wie jener Dachdecker, der vom 10. Stock nach unten fällt und auf Höhe des 2. Stocks meint: ‚Bis jetzt ging‘s gut!‘
Andere machen sich große Sorgen, dass ein zweiter Lockdown katastrophale Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird – eine mehr als verständliche Sorge.
Mich irritiert dennoch, dass immer noch eine ganz bestimmte Vorstellung in vielen Köpfen steckt, die der einfache Mensch auf der Straße mit vielen verantwortlichen Menschen in Entscheidungspositionen und -ebenen teilt:
Die Vorstellung, dass das Corona-Virus nur die STÖRUNG des Normalzustands sei.
Am Corona-Virus ist nichts normal.
Kein Mensch wünscht sich, dass das Virus normal werden darf.
Aber zur Normalität gehört auch Ehrlichkeit und Realismus.
Was würde sich ändern, würden wir anerkennen, dass das Virus zu einer schrecklichen, aber leider ‚normalen‘ Lebens-BEDINGUNG geworden ist?
Enorm viel Kreativität – in der Ökonomie wie im Alltag von uns allen –
die wir fürs Gestalten dieser Lebensbedingung unbedingt brauchen,
geht verloren, weil wir uns darüber streiten,
ob wir noch mitten drin oder nach Corona oder
noch in der ersten oder gar schon in der zweiten Welle sind.
Es hat sich seit März 2020 nichts geändert –
der Kampf in unserem Kopf geht weiter.
Denken lässt die Welt entstehen, in der ich lebe.
Gott will, dass ich von diesem Werkzeug – meinem Verstand – Gebrauch mache.
Die Politik um einen Dispens zu bitten, geht gottseidank nicht.
Verantwortung ist nicht delegierbar.
Ein rücksichtsvoller und aufmerksamer Umgang miteinander
dazu Abstand und Maske
sind der Teil dieser Verantwortung, die ich – wie jede und jeder – erfüllen kann.
Gott befohlen beim Denken und Handeln
in diesen Tagen
Ihr/Euer Eberhard Hadem
22. August 2020 MUT MACHEN 91
Obszöne Mode
gemäß einer obszönen mode
verhökert der fisch
seinen fluss
unbeschadet der atemwege
und der augenschwäche
sucht er eine neue bleibe
nördlich der vernunft
girlanden und solitüde
in jedem eingang
kauert der groschengott
und wartet auf seine stunde
SAID
Deutsch-iranischer Schriftsteller und Lyriker * 27. Mai 1947 in Teheran. Er war Präsident des PEN-Clubs in Deutschland, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Adelbert-von-Chamisso-Preis. SAID nennt die deutsche Sprache seine „Behausung“.
(Gedicht zitiert nach CiG 33/2020 S. 364)
Der Mensch ist wie der Fisch
Sein lebensnotwendiges Fluidum
– alle zweckfreien Zeiten
Tätigkeiten und Rituale
geistigen Kräfte und Quellen
ohne die er nicht atmen und leben kann –
opfert er auf dem Altar
rechtschaffend gieriger
ökonomischer Vernunft
Als selbstgewählter Heimatloser
sucht er eine neue Bleibe, von der er glaubt,
er würde sie in der Jenseits-Kühle
der reinen sachlichen Vernunft finden
müsse dafür nur die eigene Einsamkeit
dezent schönreden und verschleiern
als könne er atemlos bleiben
und sehenden Auges wegschauen
wenn der Gott der monetären Macht
– in jeder Angebotslücke
sein obszönes Begehren verbergend –
auch das letzte Stück menschliche Lebendigkeit
gegen einen billigen Cent eintauscht
Eberhard Hadem
18. August 2020 MUT MACHEN 90
Wirf dich als Pilger in den Wind
lass frischen quellen ihren lauf
wirf dich als pilger in den wind
vertrau dem wege wie ein kind
gott geht ja mit – brich ruhig auf
Aus:
Wolfgang M. Schneller
Der Weg umarmt mich wieder…
Poesie auf dem Jakobsweg
Kunstverlag Josef Zink, Lindenberg im Allgäu 2020
(Kleinschreibung: E.H.)
14. August 2020 MUT MACHEN 89
Die Realität verzeiht nichts
Eine Philosophiestudentin fragt einmal
den Science-Fiction-Schriftsteller Philip K. Dick:
„Was ist das überhaupt, die Realität?“
In seinen Romanen ist Philip K. Dick
ein Meister im Entwerfen imaginärer Welten.
Aber die Studentin besteht darauf,
er solle ihr eine möglichst
kurze Definition von Realität geben,
mehr als ein Satz dürfe es nicht sein.
Schließlich liefert er ihr
das Ergebnis seines Nachdenkens:
„Realität ist das, was nicht weggeht,
auch wenn man nicht daran glaubt.“
All jenen gesagt,
die immer noch glauben
Corona sei gar nicht so schlimm
und alle Maßnahmen seien übertrieben.
Ich werde nicht sagen können:
‚Auweia, sorry, ich habe mich geirrt –
können wir bitte noch mal auf Anfang stellen?
Jetzt wäre auch ich bereit, alles anders zu machen.‘
Denn es gibt keinen Entwurf von Leben,
sondern immer nur das Leben selbst.
Die Realität verzeiht nichts.
In allem anderen hoffe ich
auf das Erbarmen Gottes.
Gott befohlen
Ihr/Euer Eberhard Hadem
11. August 2020 MUT MACHEN 88
Trotzdem
Ein kleines Büchlein mit Titel „Trotzdem“ dokumentiert ein Gespräch von Ferdinand von Schirach (Jurist, Dramatiker und Schriftsteller) und Alexander Kluge (Filmemacher, Schriftsteller und Rechtsanwalt) am 30. April 2020, 19 Tage nach Ausrufung des Lockdowns. Gegen Ende des Gesprächs sagt von Schirach: (Trotzdem. Luchterhand 2020, S. 73f.)
Vielleicht zum ersten Mal
in der Geschichte der modernen Staaten
haben wir gesehen,
dass die Politik alles ermöglichen kann.
Nie wieder wird deshalb ein Politiker
zu einer jungen Frau sagen können,
Klimaschutzmaßnahmen seien nicht zu verwirklichen,
weil sie zu teuer sind,
zu kompliziert
oder die Gesellschaft zu sehr einschränken.
Wir können offenbar alles, wenn Gefahr droht,
das haben wir jetzt gelernt.
Und warum sollten wir die Lehren
nicht ins Positive wenden?
Mein Opa war pessimistischer:
Der Mensch tut nichts aus Einsicht,
sondern nur aus Notwendigkeit.
Ich teile da eher von Schirachs Sicht und erinnere an
die jüdische Philosophin Hannah Arendt,
die uns gelehrt hat, was wahre Macht ist:
Macht entspricht der Fähigkeit,
sich mit anderen zusammenzuschließen
und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln.
Ihr/Euer Eberhard Hadem
7. August 2020 MUT MACHEN 87
Wenn die Ruhe am 7. Tag der Schöpfung erzählen könnte
Vorankündigung:
Evangelische Morgenfeier am 9. August um 10:30 Uhr auf Bayern 1
„Muße – ein subversives Lebensmodell?“
Zur Ruhe kommen, Atem holen – die Sommerferien sind für viele Menschen eine wichtige Zeit der Erholung. Trotz oder gerade wegen Corona. Wie kann es gelingen, zur Ruhe zu kommen? In meiner Phantasie stelle ich mir vor, die Ruhe am 7. Tag der Schöpfung könnte wie eine Person handeln, denken und fühlen. Was könnte sie gedacht haben, als sie da war? Und wie würde sie von sich sprechen? Vielleicht so:
Ich bin etwas Besonderes einfach dadurch, dass es mich gibt. Doch zu mir, zur Ruhe, zu finden, ist nicht einfach. Ich kann ja nicht selber etwas dafür tun, dass mich jemand entdeckt. Was soll ich dagegen tun, dass ich nichts tun kann? Vielleicht sollte ich mich in die blauen Wellen der Ozeane auf Erden verwandeln und immer, wenn sich Menschen an den Ufern niederließen, könnte ich in den Wellen ein leises Seufzen verstecken, wenn das Wasser die Kieselsteine klickernd bewegt, so dass die Menschen die Ruhe finden könnten. Aber ich muss leider feststellen, dass die unruhige Sehnsucht der Menschen auch größer wurde angesichts der Weite der Meere. Dann habe ich gedacht, es wäre besser, ich würde zu Schneeflocken gefrieren, damit ich mich im Winter wie eine weiche Schneedecke, wie eine irdische Ruhe auf alles legen könnte, unter der das Gute wie auch das Böse auf Erden und alle trennenden Unterschiede sanft zugedeckt werden könnten. Aber leider konnte ich als Schneeflocke die Schöpfung nur oberflächlich berühren. Was soll ich tun, damit man auf mich aufmerksam wird? Ich könnte mich im Schweigen des Waldes verstecken oder im manchmal sanften, manchmal rauen Wehen der Winde auf den Bergen, oder in jenen Atem raubenden Moment, wenn die Sonne morgens aufgeht. Es gab schon Momente, da hatte ich den Eindruck, dass Menschen mich, die Ruhe, gefunden hätten. Aber schon bald danach wurden die Menschen wieder unruhig und brachen wieder auf.
In der Bibel endet der siebte Tag mit einer Besonderheit: Er ist der einzige Tag, von dem es nicht heißt: Aus Abend und Morgen ward der Tag vollendet. Ich verstehe das offene Ende so, dass die Ruhe immer schon an all den anderen Tagen der Schöpfung miterschaffen wurde. So dass sie immer schon in den anderen sechs Tagen verborgen ist! Sie ist frei und kann jederzeit und überall hinwandern und ein besonderer Ort, eine besondere Zeit werden. Die göttliche Ökonomie trennt nicht zwischen Arbeit und Ruhe, sondern beides schafft Gott als Schöpfer. Das ist die Frage, ob ich auch an Werktagen eine Zeit und einen Ort entdecke fürs Atemholen. Die Ruhe ist nur dann da, wenn sie jemand sucht und findet, wie ein verlorenes Geldstück unterm Sofa an der Wand, das darauf warten muss, gefunden zu werden. Auch im Großen ist sie nicht einfach vorhanden und zu haben. Ich kann sie nur entdecken oder auch zulassen.
Gott befohlen
Ihr/Euer Eberhard Hadem
1. August 2020 MUT MACHEN 86
Einen neuen Anfang machen
‚Wort zum Tag‘ auf Deutschlandfunk Kultur 6:20 bis 6:23 Uhr
Am Anfang war ein Garten, erzählt die Bibel auf ihren ersten Seiten. Sie gibt einen seltsam unbestimmten Ort dafür an: im Osten, in Eden liege der Garten. Im Osten von was? Manche meinen, das Paradies befinde sich dort, wo seine vier Flüsse, der Pischon und der Gihon, der Euphrat und der Tigris fließen. Deshalb wird es in dem fruchtbaren Delta im heutigen Irak vermutet. Aber sicher ist das natürlich nicht.
Die Angabe der Himmelsrichtung hat noch einen anderen Sinn. Das Paradies ist ein geistiger, symbolischer Ort, an dem Schöpfer und Geschöpfen ein Anfang gelingt. Deshalb im Osten, weil sich die Erde der Sonne und damit dem immer neuen Morgen entgegen dreht und unablässig neue Anfänge macht.
Neu anfangen kann ich als Mensch immer nur in einem Bereich, der begrenzt ist. Freiheit und Verantwortung brauchen ihre Zeit und ihren Raum. Nun haben Grenzen auf den ersten Blick wenig Gutes an sich. Sie sollen eher überwunden werden. Aber schon die biblische Schöpfungsgeschichte entwirft Bilder dafür, wie heilsam es sein kann, Grenzen zu ziehen, etwas abzutrennen: Gott trennt Licht von der Dunkelheit, festes Land vom Wasser, den Tag von der Nacht.
Jeder Gärtner, jede Gärtnerin kennt das auch. Es ist ein kluges Wissen nötig, um unterscheiden und trennen zu können. In seinem Buch „Der leidenschaftliche Gärtner“ schreibt der Dichter Rudolf Borchardt: Es muss, wo Rosen blühen, Lehm im Boden sein, und wo sie auch nur leidlich blühen sollen, Kalk. Es muss, wo Rhododendren leben sollen, ein saures Element im Boden sein, und kein Kalk. Wo Bäume im Garten stehen ist Schatten, und viele der schönsten Blumen suchen ihn. Wo aber sonnentrunkene Blumen sein wollen, dürfen keine Bäume stehen (Die Andere Bibliothek, hg. v. H.M. Enzensberger, Ernst-Klett-Verlag 1968, Seite 210).
Der Garten Eden ist kein grenzenloses Schlaraffenland, wo – wie im Märchen – gebratene Tauben umherfliegen und man faul unter dem Birnbaum liegend darauf wartet, dass einem die gebackenen Früchte in den Mund fallen. Wir Menschen neigen manchmal dazu, mit solchen und ähnlichen Wünschen den inneren Raum des Paradieses anzufüllen – und wissen dabei in der Regel, dass Glück auf Dauer darin besteht, zu bebauen und zu bewahren, was durch Grenzen umhegt und von Anfang an auf Nachhaltigkeit angelegt ist. Das griechische Wort kósmos ist mehrdeutig, es lässt sich im Deutschen als ‚Ordnung‘, aber auch als ‚Schmuck‘, ‚Glanz‘ oder ‚Ehre‘ wiedergeben. In diesem Sinn spiegelt der umgrenzte Raum des Paradieses den eigentlichen, den wirklichen Kosmos des Menschen wider. In diesem Sinn bin ich tatsächlich für meinen Kosmos verantwortlich. Und auch dafür, ab und an einen neuen Anfang zu machen.
Gott befohlen
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
30. Juli 2020 MUT MACHEN 85
Ich bin Gottes Garten
‚Wort zum Tag‘ auf Deutschlandfunk Kultur 6:20 bis 6:23 Uhr
In der Bibel wird Menschen versprochen: Du wirst sein ein bewässerter Garten. Ein schönes poetisches Bild fürs Menschsein. Aber mit dieser Verheißung sind ganz konkrete Bedingungen verbunden, wie wahres Menschsein aussieht (Jes. 58, 9ff.): Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt (…). Du sollst heißen: ‚Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne‘.
Die Nächstenliebe klingt hier wie ein Programm und zugleich wie ein Versprechen: Lass den Hungrigen dein Herz finden, dann wird man dich nennen: ‚Der die Lücken verschließt, die Wege begehbar macht, dass man da wohnen könne‘. Das sind seltsame Namen – es sei denn, ich entdecke die Wertschätzung, mit der Gott hier spricht.
Ich darf ein Mensch werden, in dessen Nähe andere sich gerne aufhalten – die Bibel sagt wohnen können. Weil andere spüren, dass sie in meiner Nähe Freiheit erfahren, dass ich ihnen Raum gebe.
Ich darf ein Mensch werden, der nicht auf Fehler der anderen fixiert ist – die Bibel sagt: der die Lücken zumauert. Gott glaubt an mich, dass ich andere nicht mit der Nase auf ihre Schwächen und Unvollkommenheit stoße, sondern liebevoll die Lücken ihres zerzausten Lebenshauses verschließen werde.
Ich kann kaum glauben, dass ich ein solcher Mensch werden könnte! Doch Gott verspricht es mir: Du wirst einer werden, der es anderen leicht macht, zu sich selbst zurückzukehren – die Bibel sagt der die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne. Wer wünscht sich das nicht, so ein Mensch zu werden? Doch es gibt keinen Schalter im Kopf, den ich dafür einfach umlegen könnte. Ich kann mich nicht umprogrammieren.
Mir hilft das Bild des Gartens: Ich erkenne, wie Gott das mit mir macht. Er arbeitet in und an mir, wie eine Gärtnerin in einem Garten arbeitet, die ein Stück Welt ausgrenzt und sich vornimmt und dieses Stück Welt gestaltet, pflegt und bewahrt. Ich bin bereit, Gott an mir arbeiten zu lassen. Ich will sein Garten sein; der wiederum einen Gärtner braucht, der das Beste hervorbringen möchte, das in mir auf seine Entfaltung wartet.
Die kluge Mystikerin Teresa von Avila sagt einmal über Gott als Gärtner: [Es] war […] mir eine große Freude, zu bedenken, dass meine Seele ein Garten sei und der Herr in ihm spazieren ging (Therese von Avila. Das Buch meines Lebens. Vollständige Neuübertragung. Ges. Werke Bd. 1, Herder 200, Kap. 14, 9). So beginnt wahres Menschsein: Ich denke darüber nach, dass meine Seele ein Garten sei und der Herr in mir spazieren geht! Gespannt bin ich, was er mit mir machen wird.
Gott befohlen
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
25. Juli 2020 MUT MACHEN 84
Mit dem Virus leben lernen
Deutschlandfunk 24.7.2020 um 6:35 Uhr
als ‚Gedanken zur Woche‘ im Rahmen der Morgenandachten
(‚Gedanken zur Woche‘ sind keine Andacht, sondern ein aktueller theologischer Kommentar)
Ohne Beschränkungen frei leben - das wollen nicht nur viele Menschen in der Corona-Krise, das wollten auch die Israeliten, nachdem sie endlich aus der Sklaverei in Ägypten geflohen waren. Aus ihrem "Wüstenlockdown" können wir einiges lernen. Was, das fasst Pfarrer Eberhard Hadem in seinen "Gedanken zur Woche" zusammen.
Corona ist vorbei! Sagt der eine. – Was, wie? sagt die andere: Corona ist vorbei? Seit wann? Kein Virus verschwindet einfach. Es verändert sich, es mutiert, sagen die Wissenschaftler. Es ist immer noch da. – Ja, aber ich will trotzdem so frei leben wie vor dem Lockdown! Ohne Beschränkungen, mit mehr Freiheit. Nach langer Durststrecke will der Mensch endlich wieder feiern und sich frei fühlen. Verbote sind grad sowas von out.
Das war wahrscheinlich immer schon so, auch vor ca. 3000 Jahren: Da steigt der Prophet Mose vom heiligen Berg mit den Zehn Geboten unter dem Arm. Als er unten im Tal bei den Menschen ankommt, tanzen die Familiensippen um ein selbst gewähltes ‚Goldenes Kalb‘. Denn sie haben die Schnauze voll! Aus Ägypten sind sie vor ihren Verfolgern in die Wüste geflohen. Und dieser quasi verordnete Wüstenlockdown ist kaum noch auszuhalten! Durch die Wüste zu besseren Zeiten, hatte die tröstende Auskunft von ganz oben geheißen. Doch sie irren schon lange herum. Auf dem Berg berät sich Mose mit der obersten Regierung tagelang, welche Regelungen für gutes gemeinsames Leben – auch in extremen Situationen – gelten sollen. Eigentlich wichtig, aber langwierig und im Grunde wie hinter verschlossenen Türen. Die Unruhe packt die Menschen unten im Tal und sie beginnen die früheren Zeiten zu verklären: Alles war scheinbar schöner und besser als jetzt! Die Maßregelungen von oben müssen ein Ende haben, skandieren sie. Drum lasst uns feiern und Party machen! Und sie kreieren ein ekstatisches Event um ein goldenes Kalb! Bleib bloß weg mit deinen Geboten, Mose! Lass uns in Ruhe!
Irgendwie kann ich die feierlaunigen Menschen heute genauso verstehen wie die rebellierenden Familien in der Wüste. Oben auf dem heiligen Berg sich was Kluges ausdenken, ist das Eine. Und ich meine das, ohne ‚die da oben‘ zu kritisieren. Denn so eine extreme Situation hat noch niemand erlebt, weder damals in der Wüste noch heute mit dem Virus. Natürlich passieren da auch Fehler. Man macht es sich zu leicht, diejenigen zu kritisieren, die ‚da oben‘ ihr Bestes geben, ohne dass sie wissen können, ob es richtig ist, was sie entscheiden.
Unten aber sieht die konkrete Praxis oft ganz anders aus. Klar dürfen Kinder, die erkrankt sind, nicht in den Kindergarten, denn das schützt die anderen. Gilt das aber auch dann, wenn mein Kind nur einen leichten Schnupfen hat? Was soll ich denn noch alles privat organisieren? Außerdem: Die Kinderärzte bitten händeringend, nicht in die Praxis zu kommen, auch nicht zum Testen, sondern abzuwarten. Von solchen Zwickmühlen der Realität wusste man noch nichts, als man oben auf dem Berg die beste Lösung gefunden zu haben glaubte.
Regeln ignorieren und ausbrechen verdrängt die Situation, der keiner entkommen kann – auch nicht beim Tanzen, egal, ob damals in der Wüste oder heute auf der Straße. Mag sein, dass Maske tragen und ‚social distancing‘ wie Gebote von oben wirken. Dass aber ein normales Leben mit Maske und Abstand nicht möglich ist, ist völlig überzogen. Der Punkt ist ein anderer: Verdrängen und ignorant Feiern hilft so wenig wie sich in Angst zu verkriechen. Auf beiden Seiten diktiert das Virus das Verhalten. Solange ich ständig über das nachdenke, was ich nicht haben will, beherrscht das Virus mein Denken.
Viel besser wäre, damit leben zu lernen. Womöglich können wir sogar Neues entdecken, weil wir bewusster und nachhaltiger denken. Ich will nicht mehr auf das Virus starren wie das Kaninchen auf die Schlange, aber auch nicht davor weglaufen. Ich will mit anderen die Freiheiten ausprobieren, die möglich sind, mit Kraft, Phantasie und Kreativität. Wenn im Autokino Filme und Gottesdienste möglich sind, wo sind dann die anderen guten Ideen? Auch wie wir tanzen und feiern können – und trotzdem die Gebote des Abstands achten. Gib nicht dem Ding mit C die Macht in deinem Kopf! Habe ein festes Herz, das Gott vertraut – und du wirst mehr Freiheit finden, als du glaubst.
Diskutieren Sie mit auf Facebook unter „Evangelisch im Deutschlandradio.de“.
Gott befohlen
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
Ab Montag, dem 27. Juli, bis Samstag, dem 1. August, sind auf DLF-Kultur, dem anderen Deutschlandradio-Sender, das Wort zum Tage um 6:20 bis 6:23 Uhr mit Eberhard Hadem zu hören. Wer mag, kann sie auch auf der Webseite www.rundfunk.evangelisch.de nachhören oder nachlesen.
17. Juli 2020 MUT MACHEN 83
Gib dem Ding mit C keine Macht in deinem Kopf!
Das Virus ist nicht verschwunden.
Es verschwindet nie mehr.
Es mutiert nur.
Deshalb gilt es zu verstehen und entsprechend zu handeln:
Erinnern wir uns, als alles begann
Denn es ist nach wie vor ein Kampf
gegen unsere Gewohnheiten von früher
und nicht gegen ein Virus.
Ändern wir unsere Art zu sehen und zu denken.
Nicht mehr: „Ich habe Angst, mich anzustecken“
Oder „Ich habe keine Angst, mich anzustecken“
Sondern: Wir sind diejenigen, die die ANDEREN schützen.
Du bist mir wichtig.
Ich halte für dich Abstand.
Ich wasche meine Hände – für dich.
Ich verzichte – für dich.
Dass alles werden möge wie früher
ist ein egoistischer Wunsch,
sei er auch menschlich noch so verständlich.
Solange ich so denke, beherrscht das Virus mein Denken.
Was noch zu wenig da ist,
ist das Sehen und Erkennen der Chancen
wie ein Leben trotz Virus aussehen kann.
Gib dem Ding mit C keine Macht in deinem Kopf!
Ihr /Euer Eberhard Hadem
10. Juli 2020 MUT MACHEN 82
Sommerferienprogramm
der Evangelischen Jugend im Dekanat Schwabach
27. Juli - 7. August 2020
Dieser Sommer soll für und mit Kindern und Jugendlichen fröhlich, bunt und vielfältig sein. Er soll Abenteuer, Gemeinschaft und Abwechslung bieten. In Zeiten von Corona, besonderen Hygienevorschriften und Abstandswahrung ist dies für alle eine große Herausforderung. Die Evangelische Jugend stellt sich dieser. Corona hin oder her, es ist Sommer. Natürlich.
Eigentlich wären wir diesen Sommer zusammen in Sachsenmühle, Stockheim, Schweden oder Österreich. Doch nicht dieses Jahr. Deshalb kommen wir mit kleinen
Aktionen zu euch vor Ort. Wir haben mega Lust im den Sommer gemeinsam mit euch zu erleben!
DU auch? – dann nichts wie schnell anmelden!
Anmeldung ausschließlich hier online.
Für Fragen und weitere Informationen steht
das Team der Evangelischen Jugend
im Dekanat Schwabach gerne Rede und Antwort:
Evangelische Jugend im Dekanat Schwabach
Wittelsbacher Str. 4
91126 Schwabach
Tel.: 09122 - 9256 410
E-Mail: ej.dekanat-schwabach@elkb.de
08. Juli 2020 MUT MACHEN 81
Vom Glück
Sucht nicht das Glück in all den Dingen
Die letztlich nur vergänglich sind
Es wird euch nimmermehr gelingen
Nur eure Lebenszeit verrinnt
Und kehrt nicht wieder, bis am Ende
Beim Blick zurück die Einsicht quält
Nur wer das Glück, auf dass er’s fände
In Gott sucht, er’s von dort erhält
Wolfgang Müller
Nürnberg/Bern 2001/2018
02. Juli 2020 MUT MACHEN 80
Ende der Kontaktbeschränkungen – aber kein Ende von ‚Mut Machen‘
Informationen aus dem Kirchenvorstand
Zum 1. Juli 2020 sind viele Beschränkungen der letzten Monate aufgehoben worden. Alle Bürgerinnen und Bürger sind inzwischen viel mobiler geworden. In der Öffentlichkeit haben – leider – die Disziplin und die Bereitschaft sehr nachgelassen, den angemessene Abstand und die nötige Hygienemaßnahmen zu wahren.
Der Kirchenvorstand will dieses lässige Umgehen für seinen Verantwortungsbereich nicht tolerieren. Wir wollen kein neuer Hotspot werden, wo Menschen sich infizieren könnten. Deshalb hat er in seiner letzten Sitzung entschieden, das Gemeindehaus noch nicht für die Gruppen und Kreis zu öffnen. Denn die Abstands- und Hygieneregeln lassen nur eine sehr kleine Zahl an Sitzplätzen zu; alle Gemeindegruppen haben eine größere Zahl an Teilnehmenden.
Unabhängig davon wollen wir ein besonderes Treffen der Senioren im Hof des Gemeindehauses organisieren. Noch offen ist der Termin und wie es genau aussehen wird. Einladungen folgen.
In der Ottilienkirche finden lediglich kleine Gottesdienste wie Taufe mit je einer Tauffamilie statt.
Solange es möglich ist, feiern wir Open Air-Gottesdienste:
- am 5. Juli um 10 Uhr am Friedhof, die Konfirmanden werden vorgestellt
- am 19. Juli um 9.30 (!) Uhr mit dem Posaunenchor auf dem Parkplatz beim Gasthof Bromm in Pruppach
- am 5. August um 10 Uhr am Bauwagen
Bei Geburtstags- und Seelsorge-Besuchen komme ich inzwischen wieder zu den Menschen ins Haus. Ich trage aber eine Mund-Nasen-Maske, um zum Schutz aller Haus- bzw. Wohnungsbewohner beizutragen. Wenn es einen Balkon oder eine Terrasse gibt und wir draußen sitzen können, kann auch ich die Maske abnehmen.
Immer wieder äußern Menschen ihr Unverständnis, dass ich nach wie vor so zurückhaltend bin. Aber ‚Corona‘ ist nicht vorbei und die Pflicht, andere durch Abstand und Maske zu schützen, besteht nach wie vor. Ganz besonders unsere älteren Gemeindeglieder. Auch ich kann als Überträger andere Menschen anstecken, ohne selber infiziert oder erkrankt zu sein. Deshalb bitte ich um Ihr/Euer Verständnis für meine Zurückhaltung.
Die Rubrik ‚Mut Machen‘ hat am 15. März begonnen, inzwischen sind es 80 Beiträge geworden, dazu die Sonntagspredigten. In der Regel haben die Beiträge täglich gewechselt. Es wird weitergehen – aber anders als bisher. Gedanken und Bilder, die ‚Mut Machen‘, wird es weiterhin zweimal pro Woche auf der Homepage geben.
Ein besonderes Dankeschön möchte ich Philipp Wendler, unserem Webmaster der Pfaffenhöfener Homepage sagen: Danke, Philipp, für deine großartige Unterstützung! Ohne dich wäre das so nicht möglich gewesen.
Für Ihr/Euer bisheriges Interesse bedanken wir uns herzlich. Schauen Sie mal wieder ins digitale Fenster der Kirchengemeinde herein! Wir freuen uns auf Sie!
Ihr/Euer Eberhard Hadem
29. Juni 2020 MUT MACHEN 79
Heute lasse ich Tilmann Kleinjung, einen Kollegen des BR München, mit dem ich im Radio gerne zusammenarbeite, mit einem kritischen Kommentar zu den Kirchen zu Wort kommen.
Klick und weg? Die Kirche nach der Corona-Krise
Durch die Pandemie hat Kirche Neuland betreten: Messen im Livestream, Seelsorge am Telefon und das Stundengebet auf Soundcloud. Doch ein Grundmuster hat sich nicht geändert, kommentiert Tilmann Kleinjung. Und das könnte – nach Corona – Folgen haben.
Dass Pflegekräfte mies bezahlt werden, wussten wir schon vor Corona. Dass die Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitern und Erntehelfern nicht den Standards entsprechen, ebenfalls. Die Pandemie hat da die Funktion einer Lupe. Bisher Ignoriertes, Vernachlässigtes, Verdrängtes wird offensichtlich: Unsere Schulen sind noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen, unsere Arbeitswelt kommt Männern eher entgegen als Frauen. Die Mängelliste lässt sich fortsetzen und natürlich auch auf die Kirchen anwenden. Viele Gemeinden und Pfarrer haben in den letzten Monaten das Netz für sich entdeckt. Sehr gut. Doch am Grundmuster der Kommunikation hat sich wenig geändert. Austausch, echte Beteiligung findet nur selten statt. Wie auch? Die Einbahnstraße ist die erprobte und weithin akzeptierte Verkehrsrichtung. Wir werden von der digitalen Kanzel bepredigt, am liebsten von oben herab. Die Corona-Pandemie hat diesen Hang zur Hierarchie noch einmal bestärkt. In den Internetangeboten der Diözesen und Landeskirchen lernen wir die große Schar der Erzbischöfe, Landesbischöfe, Weihbischöfe kennen – nicht die Vielfalt der Kirchen in Deutschland.
Auch das wussten wir schon vorher: Es geht um Qualität. Nur weil eine Predigt via YouTube gestreamt wird, ist sie nicht automatisch ansprechend oder anrührend. Im Gegenteil: Wer in der Überfülle des digitalen und analogen Angebots gehört werden will, muss besonders gut, besonders einfallsreich sein. Alter Wein in neuen Schläuchen funktioniert nicht. Ein Klick, und wir sind weg. Für immer? So mancher wird sich nach dieser Zeit ganz grundsätzlich fragen: Warum bin ich Mitglied in dieser Kirche? Wie wichtig ist mir das alles? Da brauchen die Kirchen dann gute Argumente. Auch dabei hilft das Corona-Brennglas. Denn es vergrößert natürlich auch das, was gut ist, was funktioniert: der unermüdliche Einsatz des Seelsorgeteams im Krankenhaus, der Telefondienst in der Gemeinde und der Gottesdienst, der mich berührt – auch unter Wahrung der Hygienevorschriften.
Von Tilmann Kleinjung | 03.06.2020 www.katholisch.de
Der Autor Tilmann Kleinjung ist Leiter der Redaktion Religion und Orientierung im Bayerischen Rundfunk (BR).
26. Juni 2020 MUT MACHEN 78
Von der rechten Gelassenheit
Das Pferd macht den Mist im Stall,
und obgleich der Mist einen Unflat und Stank an sich hat,
so zieht dasselbe Pferd doch den Mist mit großer Mühe auf das Feld,
und daraus wächst sodann schöner Weizen und der edle, süße Wein,
der niemals wüchse, wäre der Mist nicht da.
Also trage deinen Mist – das sind deine Gebrechen,
die du nicht abtun, ablegen noch überwinden kannst –
mit Mühe und Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes
in rechter Gelassenheit deiner selbst.
Es wächst ohne allen Zweifel in einer demütigen Gelassenheit
köstliche, wohlschmeckende Frucht daraus.
Johannes Tauler (1300-1361)
24. Juni 2020 MUT MACHEN 77
Impressionen Kirchweih 2020 – trotz Corona!
Danke den Kerwaboum für den Kerwabaum!
In froher Erwartung auf die fast 70 Gottesdienstbesucher
Gemeinsam feiern wir jeden Open Air-Gottesdienst im Gedenken an unsere verstorbenen Müttern und Väter, Großmütter und Großväter, unsere Vorfahren. Sie sind der Boden, der uns trägt.
22. Juni 2020 MUT MACHEN 76
Zurzeit sind wir Echo – das wir schon immer waren
Zwischen der Zerstörung der ersten Kirche im 30-jährigen Krieg und dem Wiederaufbau der jetzigen Ottilienkirche im Jahr 1735 liegen 86 Jahre des Vermissens, in dem sich unsere Vorfahren üben mussten. Sie mussten Gottesdienst ohne den Schutzraum der Kirche feiern. Vom ersten Gottesdienst nach dem Brand der Kirche wird 1649 berichtet, also ein Jahr nach dem Ende des Krieges. Er fand gleich am Eingang des Kirchhofes, bei der Linde statt, so hat es der damalige Rother Stadtpfarrer notiert.
Am Vorbild unserer Vorfahren können wir lernen. Zum Beispiel beim Singen in Corona-Zeiten.
Vielleicht sind wir alle gerade mehr der Wald, der das Echo zurückwirft. Wir erinnern uns daran, dass wir als Sängerinnen und Sänger ‚früher‘ – vor Corona – begeistert und mit Schwung sozusagen in den Wald hineingerufen haben. Heute dagegen klingt unser Singen eher wie ein Echo: Sanft im Ausdruck und beinahe schwach im inneren Erleben.
Das hängt auch mit den aktuellen Verordnungen der Kirche zusammen, dort heißt es, dass das Singen leise geschehen möge, ohne viel stimmlichen Druck, und vor allem keine langen Gesänge. Egal, ob mit oder ohne Mund-Nasen-Maske – beides wirkt unecht. Irgendwie deprimierend, denn Singen sollte mit Freude geschehen. Aus vollem Herzen singen – so ist Musik eigentlich. Alles andere hinterlässt ein Verlustgefühl. Wir wären so gerne Sängerinnen und Sänger, die den Wald zum Echo herausfordern. Wir wären so gerne Melodie-Träger, stimmgewaltige Tonkünstler der Musik Gottes.
Doch hier komme ich beim Denken ins Stolpern: Ist nicht Christus die Musik Gottes – und ich versuche, sein Evangelium nachzusingen? Ist nicht er die Musik – und ich der Raum, in den hinein er klingt? So wie Christus die Sonne ist – und ich nur ein Stern, ein Widerschein seines Lichts. Ist nicht er das Meer – und ich ein Rinnsal seiner Güte?
Corona macht uns bewusst: Wir waren schon immer nur ein Echo der Musik Gottes und werden es immer bleiben. Aber was heißt ‚nur‘? Gewürdigt sind wir, dass wir mit unseren Stimmen die göttliche Musik widergeben. Als Instrumente der göttlichen Gnade können wir auf diese Weise andere etwas von der Güte Gottes ahnen lassen. Nicht jedes menschliche Ohr und Herz hört die Musik Gottes. Von dem Philosophen Jürgen Habermas stammt der Satz, er halte sich für ‚religiös unmusikalisch‘.
Seit Menschheitsgedenken ist das so: Wir sind Gottes Echo. Und das ist gut so. Daran will ich denken, wenn ich in den nächsten Wochen und Monaten beim Singen bis in meinen Körper hinein spüre: Ich bin Gottes Echo. Nicht mehr, aber auch ganz gewiss nicht weniger!
Lasst uns, solange es nötig ist, ganz bewusst das Echo sein, das wir schon immer sind.
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
20. Juni 2020 MUT MACHEN 75
Es gibt keine Feinde.
Nur Freunde, die man noch nicht kennt
(Gastbeitrag von Jost Herrmann)
Es gibt keine Feinde, nur Freunde, die man noch nicht kennt, habe ich gelernt. Feindbilder lassen sich nur so lange aufrechterhalten, so lange man sich nicht begegnet. (Gut, ‚Deppen‘, so habe ich es ebenfalls gelernt, gibt es in jeder Kultur. 5%, so hat man es offensichtlich herausgefunden). Um in Frieden mit Menschen leben, muss man demnach meist nur auf andere Leute zu gehen und sie versuchen kennenzulernen.
Selig sind die, die Frieden schaffen, sagt Jesus. Schaffen, das ist etwas Aktives, man muss etwas dafür tun. Nur dasitzen und sagen: „Ich mach dir nichts, bitte tu mir auch nichts“, ist viel, genügt auf Dauer aber nicht. Wenn man Frieden haben will, darf man keine Berührungsängste haben. Neugierig auf den Fremden sein, der mein Freund ist, den ich nur noch nicht kennen gelernt habe, ist der Schlüssel zum Frieden.
Jesus ist wahrlich auf Menschen zu gegangen. Berührungsängste hatte er nicht: Ob Nichtgläubige, Römer, Herrscher, Frauen, Kinder, Kranke, Fremde, Sünder, nie hat er einen Bogen gemacht. Er hat allen das Gefühl gegeben: Du bist mir wichtig. So wurden aus Feinden, oder zumindest aus Fremde, Freunde. So ist Friede möglich.
Zum Autor Jost Herrmann:
Jost Herrmann ist Pfarrer in Schongau, vorher in Weilheim, dort haben wir uns als Kollegen kennengelernt. Zuvor war er mit seiner Familie viele Jahre im Auslandspfarramt in Südafrika. Deutschlandweit bekannt geworden ist er als Asylpfarrer im Oberland, aber weit über Oberbayern hinaus. Seit vielen Jahren tritt er für die Rechte von Flüchtlingen ein, initiiert und unterstützt Asylhelfergruppen. Es lohnt sich, seine Studie zu der ‚Situation der ehrenamtlichen Unterstützerkreise 2013-2018‘ zu lesen, in der er viele überraschende Erkenntnisse zusammenfasst und zeigt, dass es sich lohnt, trotz Widerstände für Menschen einzutreten: www.asylimoberland.de. Wer mehr über ihn und die Kirchengemeinde Schongau erfahren möchte: www.schongau-evangelisch.de.
19. Juni 2020 MUT MACHEN 74
Wer hofft
ist jung
(Gastbeitrag von Corvin Wellner)
Wer könnte atmen
ohne Hoffnung
dass auch in Zukunft
Rosen sich öffnen
ein Liebeswort
die Angst überlebt
Rose Ausländer
Die Lyrikerin Rose Ausländer wurde 1901 in Czernowitz in der Ukraine geborgen. Als eine der wenigen entging sie der Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten im Ghetto, wo sie unter anderem den Schriftsteller Paul Celan kennen lernte.
Nach Emigration und Nachkriegszeit kehrte sie 1964 in den deutschen Sprachraum zurück; ab 1965 lebte sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1988 in Düsseldorf.
Wer könnte atmen ohne Hoffnung? fragt die Dichterin. Ein lateinisches Sprichwort lautet: Dum spiro, spero. Solange ich atme, hoffe ich.
Im Lateinischen nur durch einen Vokal unterschieden sind ‚atmen‘ und ‚hoffen‘ eng, fast untrennbar miteinander verbunden. Atmen ist Leben.
So lässt das Hoffen leben und überleben. Es hilft, im eigenen Ich selbst Schrecken und nahenden Tod zu überwinden.
Und es lenkt den Blick auf das, was in der Welt so oft verborgen, verschüttet und verhüllt ist: Ihre Schönheit, ihre Kraft und ihre Lebendigkeit. Und die Liebe selbst.
Zum Autor Corvin Wellner:
Corvin Wellner ist Pfarrer in der Kirchengemeinde Weilheim-Apostelkirche. Mit ihm verbindet mich das gemeinsame theologische Fragen, aber auch ein wunderbares Miteinander in den praktischen Fragen unserer Arbeit als Seelsorger und Theologen. Die Konfi- und Jugendarbeit hat uns besonders verbunden; sie ist – neben Kirchenmusik und Haus für Kinder – das Herzstück der Gemeindearbeit in Weilheim. Ich bin sehr dankbar für die gemeinsame Zeit mit ihm. Dass ich seine Kollegialität nach wie vor genießen darf, ist ein Geschenk. Wer mehr über ihn erfahren möchte: www.apostelkirche.de.
18. Juni 2020 MUT MACHEN 73
Harre aus, bis sich die Verhältnisse normalisieren
(Gastbeitrag von Elisabeth Arendt)
Die auf den Herren harren, kriegen neue Kraft,
dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler
Jesaja 40, 35
Ich erinnere mich an ein Erlebnis aus der Zeit, als meine fünf Kinder noch klein waren und oft sehr krank. Der Umzug unseres großen Haushalts lag nicht lange hinter mir. Mein Tag begann morgens um sechs und wenn ich vor Mitternacht ins Bett kam, war ich froh.
Der frühere Windsbacher Kantor Emanuel Vogt besuchte meinen Mann. Leider war dieser noch nicht zuhause. So bat ich Herrn Vogt in unsre Wohnung, bis mein Mann käme. Wir unterhielten uns eine Weile, als er auf einmal sagte, dass er mir anstelle eines Gastgeschenks gerne etwas singen würde. Ich solle ihm einen Bibelspruch sagen, er habe die Fähigkeit zum Improvisieren und würde ihn mir singen.
Etwas überrumpelt fiel mir spontan ein: Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler. Tief in mir warteten diese Worte wohl auf ihre Gelegenheit. Und dann sang Emanuel Vogt aus dem Stegreif für mich diesen Vers.
An die Melodie erinnere ich mich nicht mehr, aber ich erinnere mich genau daran, wie gut mir der Gesang getan hat. Er holte mir diesen Spruch ins volle Bewusstsein und von da an begleitete er mich als Verheißung auf neue Kraft, wenn ich keine mehr hatte.
Heute sagt mir dieser Vers: „Harre aus, bis sich die Verhältnisse normalisieren“. Das ist nicht einfach. Es braucht die Hoffnung und Zuversicht, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen (Röm. 8, 28).
Zur Autorin Elisabeth Arendt:
Elisabeth Arendt lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Traunstein. Sie arbeitete als Erzieherin im Kindergarten und hat viele Jahre in Georgensgmünd einen kleinen mittelständischen Betrieb gemanagt, nämlich eine Pfarrfamilie mit fünf Kindern und ihrem Mann. Ich erinnere mich, wie sehr ich sie dafür bewundert habe, wie sie alles geschafft hat. Heute engagiert sie sich in der Arbeit mit Flüchtlingen im Rahmen der Kirchengemeinde.
17. Juni 2020 MUT MACHEN 72
Die Seele ist der berührte Körper
Der französische Philosoph Jean-Luc Nancy hat diesen Satz gesagt: Die Seele ist der berührte Körper. Unser abendländisches Denken ist zunächst vom Sehen geprägt. Aber – so sagt Nancy – das Sehen verbindet sich mit allen anderen Sinnen. So erzeugt zum Beispiel das Sehen das Bedürfnis nach einer taktilen Erfahrung. Eine Einkerbung der Wand sehe ich nicht nur, ich fühle sie auch. Man möchte berühren, was man sieht.
Wenn ich jemanden berühre, den ich liebe oder wenigstens mag, dann schüttet der Körper das Hormon Dopamin aus – weniger wissenschaftlich gesagt: Herzensergüsse.
Und alles kommt vom Berühren der Haut, dem größten Organ des Menschen. Ärzte, Pflegekräfte und alle mitfühlenden Menschen wissen, was einsame Menschen am allermeisten vermissen, nämlich die Berührung durch einen anderen Menschen.
Der Dichter Robert Walser spricht davon, dass die Seele eines Menschen direkt unter der Haut angebracht sei. Wenn ich starke Gefühle wie Wut, Zorn, Kränkung, Scham erlebe, dann kann es passieren, dass ich ‚aus der Haut fahre‘. Als könnte meine Seele etwas anderes sein als ein Leib. Aber in Wahrheit ist es nur der körperlich deutliche Hinweis, dass ich selbst, dass Leib und Seele überkreuz liegen. Und ich mich danach sehne, wieder mit mir selbst vereint, versöhnt zu sein.
Die Bibel des Alten Testaments weiß, dass es gar nicht möglich ist, Leib und Seele zu trennen – auch wenn sie manchmal von beiden spricht. Denn was die Seele erlebt, ist eine körperliche Erfahrung: Meine Seele liegt im Staube; erquicke mich nach deinem Wort. (Ps. 119, 25).
Wer im Staub liegt, hat keine Kraft mehr. Deshalb ist – umgekehrt – das Wort Gottes auch keine nüchterne Information von Gedanken, die ich sachlich abwäge, sondern etwas, was mich erquickt, mich lebendig macht. Das Wort geht hinein in mich, erhebt mich aus dem Staub.
Mit Corona leben, bedeutet auch, dass – in absoluten Zahlen gemessen – die menschlichen Berührungen weniger geworden sind. Woran sich aber nichts geändert hat, im Gegenteil: Wir leben mehr denn je von zärtlichen Worten, die uns unter die Haut gehen. Die biblischen Worte ebenso wie die menschlichen Regungen des Herzens, die danach drängen, ausgesprochen zu werden.
Wir trauen uns nur viel zu selten, sie auszusprechen. Dabei sind sie ein großer Schatz aller Menschen, den niemand besitzen, sondern nur verschenken kann. Darum: Ab und zu solche Worte zu sagen, ist jede Mühe wert. Das wäre schon was.
Gott befohlen
Ihr/Euer
Eberhard Hadem, Pfarrer
16. Juni 2020 MUT MACHEN 71
Gott herbeisehnen
(Gastbeitrag von Karin Ulrich-Eschemann, Erlangen)
Wo ist Gott im Leiden seiner Kreatur? Und auch im persönlichen Leiden? Gibt es nicht eine dunkle Seite Gottes, die nicht die Liebe ist? Gibt es nicht auch den fernen Gott, den wir nicht verstehen können, weil wir nicht sehen, dass er etwas tut, dass er eingreift, dass er handelt. Dass er uns fern, weit weg vorkommt. Ein Held, der nicht helfen kann? So fragt Jeremia verzweifelt.
(…) Wir müssen nichts glätten und alles in der Liebe Gottes unterbringen. Gerade auch dieser prophetische Text [des Jeremia] bietet uns die Klage an, das Herbeiklagen Gottes mit allen Mitteln.
Jeremia glättet nichts, er ruft Gott herbei. Er nimmt ihn bei seinem Wort, seiner Zusage. Jeremia klagt Gott hart an. Hört: Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. Warum stellst du dich, als wärest du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt? Warum stellst du dich wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist ja doch unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht. (Jer. 1, 8-9)
Gott ist da bei seiner leidenden Kreatur. Darauf ist Verlass. (…) Auch Gott ist verletzlich, verwundbar, ihn geht das Leiden der Kreatur etwas an, es geht ihm zu Herzen. Doch das reicht Jeremia nicht.
Jeremia will Gott bewegen, dass er handelt, etwas tut … und Gott lässt sich bewegen. Auch wenn er weiß um die Sünde und den Ungehorsam Israels. Hört: Ach, Herr, wenn unsere Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, weil wir wieder dich gesündigt haben. Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. (…) Du bist ja doch unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen. Verlass uns nicht. Hilf um deines Namens willen. (Jer. 1, 7+9)
Es klingt am Schluss fast wie ein trotziges Bekenntnis, das der Bitte vorausgeht: Du bist ja doch unter uns Herr, und wir heißen nach deinem Namen… Diese Erwartung gehört zu unserem Glauben dazu, wir haben nicht einfach nur Hoffnung. Wir stehen in Erwartung, dass Gott kommt und sich zeigt. Dass er handelt, dass er eingreift. In diesem Sinne leben wir immer im Advent: Komm, Herr! Amen.
Zum Autor Karin Ulrich-Eschemann:
Karin Ulrich-Eschemann ist emeritierte Professorin für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichtes an der Universität Erlangen-Nürnberg. Neben ihren Lehraufträgen an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät beschäftigt sie sich mit Fragen rund um Bibel und Ethik. Gemeinsam haben wir Studientage für Schülerinnen und Schüler der Mittelschule zu biogenetischen Fragen um den Beginn des Lebens und den Schutz von Embryonen durchgeführt. Bei ihr haben die Schüler/innen haben gelernt, wie man ethische Fragen stellt und was die Bibel dazu zu sagen hat. Was sie zum Beginn (Vom Geborenwerden des Menschen; 2002) und zum Ende des Lebens geschrieben hat (leben, auch wenn wir sterben; 2008), ist ganz nahe an den Fragen der Menschen – und zugleich nahe an den Gedanken der Bibel. Ihr Text von ‚Mut Machen 71‘ ist ein Predigtausschnitt über Jeremia 14, 1-9 vom 19. Januar 2019 in der Altstädter Kirche in Erlangen.
15. Juni 2020 MUT MACHEN 70
Ent-Spannung
(Gastbeitrag von Susanne Bammessel, Nürnberg)
Heimkommen aus der Stadt, vom Einkaufen, von Erledigungen. Für mich bedeutet das momentan Aufatmen, Entspannung. Denn das, was man so in der U-Bahn, in Geschäften oder auf der Straße erlebt, ist nicht gerade besonders relaxed. Bei Regenwetter schon gleich gar nicht! Regenschirm, beschlagene Brille, Maske. Wege, die einzuhalten sind. Abstand, der gar nicht immer eingehalten werden kann…
Zuhause werde ich erst mal wieder normal. Da ist meine Familie; denen darf ich allen ins Gesicht schauen. Mit ihnen kann ich essen und unkompliziert um einen Tisch sitzen. Und trotzdem: Bin ich damit schon „entspannt“? – Obwohl ich das gerne wäre, gelingt's oft nicht so recht.
Entspannung – was ist das? Will ich das überhaupt? – „Entspannt zu sein“ hat Konjunktur. Reiseanbieter werben damit, Autohäuser, Einkaufszentren, Drogerieartikel-Hersteller. Entspannung ist ein Sehnsuchts-Wort. Weil unser Alltag vom Gegenteil bestimmt ist: Unruhe, Stress, Unsicherheiten im Umgang miteinander. Spannungen überall.
Welches Bild gehört ursprünglich dazu? Wer mit Pfeil und Bogen umgeht, weiß: Man sollte einen Bogen, wenn man ihn nicht nutzt, entspannen. Die Sehne muss herausgelöst werden. So bleibt der Bogen elastisch. Das Bild bedeutet: Spannung muss sein, sonst kann ich kein Ziel erreichen. Aber Ent-Spannung ist ebenso wichtig, sonst verliert der Bogen seine Kraft.
Ziele, die ich mir setze, will ich auch erreichen. Mit Entspannung und Spannung. Gott gibt Atem für beides.
Zum Autor Susanne Bammessel:
Susanne Bammessel ist Pfarrerin der bayerischen Landeskirche. 10 Jahre, von 2009 bis 2019 war sie für die Gäste- und Touristenseelsorge an der Lorenzkirche in Nürnberg zuständig. In dieser Arbeit habe ich sie kennengelernt, besonders in der gemeinsamen Verantwortung für die große Citykirche St. Lorenz, aber auch im kollegialen Miteinander für die vier Innenstadtkirchen St. Egidien, St. Jakob, St. Lorenz und St. Sebald. Momentan arbeitet sie als Elternzeitvertretung in Fürth. Verheiratet ist sie mit Michael Bammessel, ebenfalls Pfarrer, aktuell Präsident des DW Bayern; sie haben vier erwachsene Kinder im Alter zwischen 25 und 15 Jahren. Ich habe ihre theologische Sorgfalt im Urteil genauso geschätzt wie ihre menschliche Feinfühligkeit im Umgang mit ganz unterschiedlichen Menschen, die mit ihren eigenen Erwartungen als Gäste und Freunde die Lorenzkirche besucht haben.
14. Juni 2020 MUT MACHEN 69
Der Garten am Nachmittag
(Gastbeitrag von Wolf Schindler)
Die feierliche Ruhe des Sonntagmorgen
die Lust der spätberufenen Aufsteher
das Gefühl heiterer Langsamkeit
von Zeitentrückung, dem Luxus eines
gedehnten Frühstücks. Im Ohr verweht
das ferne Läuten der Kirchturmglocken
Die Sonne verkürzt zu Mittag die Schatten
den Blumen und Tieren zur Freude
die Vögel verkünden eine Pause
der wir gerne folgen, betäubt von
den Genüssen des zu üppigen Mahls
Die Katze tut es ihnen gleich, Nichts-tun
ist keine Schande, wenn man weiß, warum
es ist das Wechselgeld dieser
verträumten Stunden, aus denen ich
unter der großen Esche langsam erwache
neben mir das Buch, das der Müdigkeit
nicht zu trotzen vermochte.
Nun folgt ungerufen, aber willkommen
der Spaziergang in der Natur, es ist die Zeit
mit Käfern, Blumen und Faltern zu reden
verwundert wie immer über deren pure
Schönheit, die sie verschwenden, um uns zu
gefallen. Glück, in sich ruhend wie reines Gold.
Die Rabenkrähen sehen es ähnlich, rufen
kra-kra-kra von der Tanne, die Spatzen
überlegen, ob eine dritte Brut zu schaffen sei
unter dem Himmelsdach jagen sirr-sirr-sirr
die Segler akrobatisch dahin.
Zum Autor Wolf Schindler:
Wolf Schindler ist ein Maler und Dichter aus Weilheim, der seit vielen Jahren die Kunst und die Künstler im Pfaffenwinkel unterstütz und fördert. Vor einigen Jahren haben wir anlässlich des Reformationsjubiläums eine Ausstellung für 25 Künstler/innen vorbereitet, die auf ganz unterschiedliche Weise ihre „Christusbilder“ im Stadtmuseum in Weilheim gezeigt haben. Gemeinsame Lesungen mit Gedichten und Texten zu bestimmten Themen, die die Kunst und den Glauben in gleicher Weise beschäftigen, haben uns beide begeistert. Wer mehr über ihn erfahren möchte: www.wolf-schindler.de.
13. Juni 2020 MUT MACHEN 68
Der Bote
Gestirne steigen
Da wird noch klarer
Dein stiller Auftrag
Noch wunderbarer.
Es raunen Quellen
Unirdisch leise
Tief will ich schlafen
Auch Rast ist Reise
Es raunen Quellen unirdisch leise – Ich habe diese Worte immer so verstanden, dass der Weg Jesu in dieser Welt sich nur dem öffnet, der bereit ist, die Quellen zu hören, aus denen Jesu Evangelium sich speist. Das Evangelium ist einfach – und dennoch bedarf es einer gewissen Mühe, es zu entdecken. Denn jeder Mensch hört lauter, was ihn ablenkt: Seine eigenen Wünsche, sein Begehren, seine Sehnsüchte. Er muss erst von ihnen befreit werden, damit er auch die unirdischen Quellen wahrnehmen kann. Jene Quellen, die nicht aufhören, sich zu verströmen.
Jesus sagt: Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt. (Joh. 4,14)
Zum Autor Hans Carossa:
Als der Dichter Hans Carossa das Dämonische im Handeln der Nazis erkannte, machte er den Versuch, sie mit seinen poetischen Mitteln zu demaskieren. Aber er geriet immer stärker in eine ‚innere Emigration‘. Trotzdem hat er in seiner Dichtung nicht aufgehört, die Welt als eine heilende Schöpfung zu sehen. Jeder Einzelne – so meinte er – könne dazu beitragen, dass sie durch seine aufopfernde Tätigkeit wieder eine geordnete Welt werde: „Raube das Licht aus dem Rachen der Schlange!“ nennt er sein Motto. Hans Carossa stirbt am 12. September 1956 in Rittsteig bei Passau, wo er seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges lebte. Auf seinem Grab im nahen Ort Heining stehen die obigen Zeilen (in Auszügen) aus seinem Gedicht ‚Der Bote‘.
12. Juni 2020 MUT MACHEN 67
Die Büchse der Pandora
(Gastbeitrag von Corvin Wellner, Weilheim)
Hoffnung ist Lebenselixier. Wer hofft, findet sich nicht ab mit dem, was ist. Hoffnung übersteigt das Bloß-Sichtbare und wendet den Blick auf die Möglichkeiten und die Weite des Lebens.
Ein bekannter griechischer Mythos erzählt tiefgründig von ihr: Pandora, Allbeschenkte, wie ihr Name sagt, wird vom Göttervater Zeus als Strafe dafür geschaffen, dass Prometheus das Feuer aus dem Himmel gestohlen hat. Aus Neugier öffnet sie auch die Büchse ihrer Gaben, die niemals geöffnet werden sollte. Mit einem Schlag entwichen alle Übel des Menschen: Angst, Krankheit, Tod. Als der Deckel der Büchse wieder geschlossen wird, verbleibt als letztes die Hoffnung.
Ist es ratsam, den Deckel der Büchse immer wieder zu öffnen? Natürlich: Hoffen bewahrt nicht vor falscher Hoffnung und Enttäuscht-Werden. Der Philosoph Friedrich Nietzsche spottete einmal über die Hoffnung: „Zeus wollte nämlich, dass der Mensch (…) doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: Sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.“
Die Hoffnung, lehrt uns der Mythos, ist oft verborgen. Sie ist der Bodensatz, der – mitten durch alle Hoffnungslosigkeit und alles Leid – gehoben werden muss. Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt ein Sprichwort. Hoffen heißt für mich: Den Wunsch nach Veränderung, nach einer Wende zum Guten und der Realisierung von Träumen niemals aufzugeben.
Zum Autor Corvin Wellner:
Corvin Wellner ist Pfarrer in der Kirchengemeinde Weilheim-Apostelkirche. Mit ihm verbindet mich das gemeinsame theologische Fragen, aber auch ein wunderbares Miteinander in den praktischen Fragen unserer Arbeit als Seelsorger und Theologen. Die Konfi- und Jugendarbeit hat uns besonders verbunden; sie ist – neben Kirchenmusik und Haus für Kinder – das Herzstück der Gemeindearbeit in Weilheim. Ich bin sehr dankbar für die gemeinsame Zeit mit ihm. Dass ich seine Kollegialität nach wie vor genießen darf, ist ein Geschenk. Wer mehr über ihn erfahren möchte: www.apostelkirche.de.
11. Juni 2020 MUT MACHEN 66
Verloren (Flucht)
(Gastbeitrag von Wolf Schindler, Weilheim)
Die das Ertrinken im Meer noch vor sich haben
oder ein Hilfsschiff, das sie gerade noch rettet
sind in Libyen gestrandet oder in Marokko
Afrikaner auf dem Weg nach Europa
das sie nicht haben will
Das anonyme, langsame Sterben in Lagern
ein Platz zum Leben oder zum schnellen Tod
In Europa haben sie Angst vor dem Zorn der
Besitzenden, vor dem Hunger nach Leben
der Ausgestoßenen
Frauen, kleine Kinder, junge Männer
Erbarmen ist nicht nur ein Wort.
Die farbige Zeichnung steht im bewussten Kontrast zum Inhalt des Gedichts. Das schöne blaue Meer wird zum Grab für viele Flüchtlinge. Wessen Blick verbirgt sich im Bild? Der Blick des Touristen? Der Blick des Flüchtlings? Was sieht er? Ist es Abschied von Afrika? Oder Ankunft in Europa?
Zum Autor Wolf Schindler:
Wolf Schindler ist ein Maler und Dichter aus Weilheim, der seit vielen Jahren die Kunst und die Künstler im Pfaffenwinkel unterstützt und fördert. Vor einigen Jahren haben wir anlässlich des Reformationsjubiläums eine Ausstellung für 25 Künstler/innen vorbereitet, die auf ganz unterschiedliche Weise ihre „Christusbilder“ im Stadtmuseum in Weilheim gezeigt haben. Gemeinsame Lesungen mit Gedichten und Texten zu bestimmten Themen, die die Kunst und den Glauben in gleicher Weise beschäftigen, begeistern uns beide. Wer mehr über ihn erfahren möchte: www.wolf-schindler.de.
9. Juni 2020 MUT MACHEN 65
Im Rückblick ist manchmal alles anders
(Gastbeitrag von Pfarrer i.R. Johannes Arendt)
Am Abend vor meinem 70. Geburtstag las ich die Losung der Herrnhuter Brüdergemeine für den nächsten Tag, den 26. Mai 2020.
Der HERR schaut vom Himmel auf die Menschenkinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. (Psalm 14,2)
Ich vertraue darauf, dass Gott mich kennt und über mich Bescheid weiß. Er „schaut“ vom Himmel. Das heißt doch, er hat genügend Abstand, um alles in den Blick zu nehmen. Er kennt die Zusammenhänge, er übersieht keine Kleinigkeit, ihm ist nichts unwichtig.
In den letzten Wochen nutzte ich die Zeit der Ausgangsbeschränkungen, um unser Familienarchiv zu ordnen. Wochenlang sortierte ich unzählige Dokumente. Meine Eltern schrieben sich zwischen 1939 und 1945 Tausende Briefe. Ihre Ängste und Hoffnungen werden in diesen Zeitdokumenten deutlich.
Seitdem sind etwa 80 Jahre vergangen. Von heute aus betrachtet, sieht man manches deutlicher und anders, weil inzwischen viele Fakten bekannt sind, die meine Eltern nicht wissen konnten. Sie ahnten nicht, wie ihre Geschichte ausging. Wir kennen den weiteren Verlauf. Wir wissen, welche Hoffnungen sich erfüllt haben und wo das Leben einen anderen Verlauf genommen hat.
Inzwischen habe ich viele Kapitel eines Buches über die Geschichte unserer Familie geschrieben. Meine Kinder erhielten per E-Mail schon zahlreiche PDF-Dateien. Ich bin jetzt beim Jahr 1945.
Bald muss ich mit meiner eigenen Lebensgeschichte anfangen. Werde ich wahrheitsgemäß berichten? Was schreibe ich? Was wird verschwiegen?
Zum Autor Johannes Arendt:
Im Dekanat Schwabach ist Johannes Arendt ein alter Bekannter. Er war seit 1990 lange Jahre Pfarrer in Georgensgmünd. 1991 habe ich meine Arbeit als Pfarrer z.A. in Georgensgmünd begonnen. Johannes Arendt hat mich als jungen Pfarrer immer an seiner Erfahrung teilhaben lassen, mich unterstützt und mit seiner Freude und Lust am theologischen Fragen geprägt. Ich erinnere mich an viele tiefgehende theologische Gespräche. So unterschiedlich wie wir sind, hat uns der gegenseitige Respekt verbunden. Durch ihn habe ich gelernt, was kollegial sein bedeutet: ‚colligere‘ bedeutet im Lateinischen: ‚zusammen lesen‘. Der Austausch über die unterschiedlichen Lesarten macht die Kollegialität aus, die Neugier, wie die oder der andere die Welt ‚liest‘. Bis heute verbindet uns eine anregende kollegiale Freundschaft. Johannes Arendt und seine Frau Elisabeth leben in der Nähe von Traunstein. Dort hat er in der evangelischen Kirchengemeinde die Orgel für sich entdeckt und begleitet als Organist die Gemeinde im Gottesdienst mit seiner Musik, während seine Frau Elisabeth in der Arbeit mit Flüchtlingen aktiv ist.
8. Juni 2020 MUT MACHEN 64
Junitag. Im Garten.
(Gastbeitrag von Wolf Schindler)
Es war warm geworden und die Leute spazierten
in luftigen Kleidern, doch schon zu Mittag kam der Regen
und wollte nicht aufhören. An langen Schnüren fiel er herab,
rauschte in den Blättern, die Straße hinunter mit heiterem Klang.
Vom Fließen und Verschwinden.
Zur späten Abendstunde des Junitages fliegt
der große Abendsegler durch den Garten, gefolgt von den schnellen, abrupten Manövern der kleinen Hufeisennase.
Hell stehen die Margeriten und die Blüten des Holunder gegen die aufziehende Nacht. Ein feiner Duft von Hundsrosen und Päonien
weht heran, schwebt und vergeht.
Das Spiel mit der Katze ist beendet, freudig war sie dienstbar
hierhin und dorthin gesprungen, hatte mit langen Sätzen
die Birke geentert, vom Dach herunter verkündet
Seht was ich kann, macht´s nach, es ist ganz einfach, wenn man es kann.
Ein Glockenschlag. Eine Amsel verleiht dem Gesang ein paar letzte Triller.
Lichter werden entzündet, Türen geschlossen, Kinder zu Bett gebracht.
Kälte kommt von den Bergen. Nachtgedanken. Warten auf den Mond.
Zum Autor Wolf Schindler:
Wolf Schindler ist ein Maler und Dichter aus Weilheim, der seit vielen Jahren die Kunst und die Künstler im Pfaffenwinkel unterstützt und fördert. Vor einigen Jahren haben wir anlässlich des Reformationsjubiläums eine Ausstellung für 25 Künstler/innen vorbereitet, die auf ganz unterschiedliche Weise ihre „Christusbilder“ im Stadtmuseum in Weilheim gezeigt haben. Gemeinsame Lesungen mit Gedichten und Texten zu bestimmten Themen, die die Kunst und den Glauben in gleicher Weise beschäftigen, begeistern uns beide. Wer mehr über ihn erfahren möchte: www.wolf-schindler.de.
7. Juni 2020 MUT MACHEN 63
Deocarus – ein Heiliger aus Herrieden
(Gastbeitrag von Christian Schmidt)
Kennen Sie Deocarus? Nein? Dann geht es Ihnen wie sehr vielen andern auch. Und doch ist es dieser Mann – er ist heute vor 1173 Jahren gestorben – wert, dass man ihn kennt. Deocarus wurde 798 Abt des Benediktinerklosters Herrieden. Und wenn Kaiser Karl der Große gerade in unserer Gegend war, ging er zu Deocar – auf Deutsch heißt das „Gottlieb“ – zum Beichten. Damit machte der Kaiser sich und allen anderen klar: Auch der mächtigste Mann der Welt hat noch einen über sich: den, vor dem jeder Mensch eine letzte Verantwortung hat. Dieses Wissen hat den Kaiser immer wieder zur Menschlichkeit zurückgeführt und davor bewahrt, ein Tyrann zu werden.
Deocarus lebte in der Stille des Klosters ein asketisches Leben und war seinen Mönchen ein Vorbild. Bald kamen viele Menschen zu ihm, um seinen Rat zu erbitten und sich in der Beichte einen neuen Anfang schenken zu lassen. Deocarus, ihr Beichtvater, ist ganz da für sie und ganz Ohr für das, was sie Gott bekennen. Was sie bekennen, gilt Gott, doch es ist ein Geschenk, wenn man das, was Gott gilt, einem Menschen sagen darf.
Wir brauchen Menschen, denen wir sagen können, was uns bedrückt. Menschen, die uns spiegeln, wie wir mit unserem Leben und Tun vor Gott dastehen. Die uns helfen, uns an Gottes Geboten zu orientieren und uns die Vergebung Gottes zusagen. Menschen, die das, was wir ihnen anvertrauen, nicht gegen uns missbrauchen.
Im geschützten Raum der Beichte und des seelsorgerlichen Gesprächs dürfen Schuld und Versagen ans Licht kommen, kann ein Mensch sich selbst erkennen. Und muss doch nicht verzweifeln, weil der Gott ganz nah ist, der die Liebe ist. ER bringt nicht um, er bringt zurecht. ER richtet, aber so, dass er aufrichtet. Er schenkt die Kraft zu einem neuen Anfang. Deocarus war Gottes Werkzeug dazu, und er war ein gutes.
Zum Autor Christian Schmidt:
Ihn kennen viele als fränkischen Reimprediger, Christian Schmidt, der frühere Pfarrer von St. Lorenz in Nürnberg. Bis zu seinem Ruhestand war er Regionalbischof im Kirchenkreis Ansbach-Würzburg. 2012 wurde ihm für seine fränkischen Reimpredigten und Gedichte der „Frankenwürfel“, so etwas wie ein fränkischer Nobelpreis, verliehen. Vor vier Monaten war er mit seiner Faschingspredigt in der Rother Stadtkirche zu hören. Im nächsten Jahr wird er wiederkommen und voraussichtlich am Sonntag 31. Januar in der Rother Stadtkirche seine Faschingspredigt 2021 halten.
6. Juni 2020 MUT MACHEN 62
Zukunft
Die wesentlichen Dinge des Lebens
kommen nicht
aus uns selbst,
sondern auf uns zu
Das ist einer der schönsten Sätze in unserem Gesangbuch (EG 161). Seine Quelle ist unbekannt.
Aber es ist eine überaus frische Quelle. Sie macht lebendig. Sie wirft mein Ich nach vorne in die Zukunft.
Nicht in unbestimmter Hoffnung, sondern in gewisser Zuversicht. Wohin ich auch gehe, Gott kommt auf mich zu. Das wünsche ich Euch / Ihnen auch.
Gott befohlen
Euer/Ihr
Eberhard Hadem
Hinweis:
In den nächsten beiden Wochen veröffentliche ich Texte, Bilder, Fotos, Gedichte von Freunden, Kollegen und Kolleginnen, die einen Gastbeitrag für MUT MACHEN schreiben.
Zu den Autoren finden Sie eine kurze Info am Ende des jeweiligen Gastbeitrags.
5. Juni 2020 MUT MACHEN 61
ratlos
wie ist es möglich, dass nach langem
mühevollem lockdown
die meisten glauben
das virus habe sich verkrümelt
noch nie in der menschheitsgeschichte
hat sich ein virus verkrümelt
es hat sich nur verändert
und lebt weiter
wenn wir nicht langsam lernen
mit dem virus zu leben
– abstand respektieren
hygiene beachten –
dann erleben wir es schon noch
wie das virus gut mit uns
aber auch gut ohne uns
weiterleben kann
Eberhard Hadem
Ich bin ratlos angesichts der Tatsache
dass Menschen jetzt so handeln
als habe es Corona nicht gegeben
Ich bin heute eher verstört
und wenig zuversichtlich
Ich denke an MM 50 vom 19. Mai
4. Juni 2020 MUT MACHEN 60
„…für mich allein einen so schönen Gottesdienst gehalten“
Pfingsten 14. Juni 1943
Nun feiern wir also auch Pfingsten noch getrennt,
und es ist doch in besonderer Weise ein Fest der Gemeinschaft.
Als die Glocken heute früh läuteten,
hatte ich große Sehnsucht nach einem Gottesdienst,
aber dann habe ich es gemacht wie Johannes auf Patmos,
und für mich allein einen so schönen Gottesdienst gehalten,
dass die Einsamkeit gar nicht zu spüren war,
so sehr wart ihr alle, alle dabei (…)
Die seltsame Geschichte vom Sprachenwunder
hat mich auch wieder sehr beschäftigt.
Dass die babylonische Sprachenverwirrung,
durch die die Menschen einander nicht mehr verstehen können,
weil jeder seine eigene Sprache spricht,
ein Ende haben
und überwunden sein soll
durch die Sprache Gottes, die jeder Mensch versteht
und die allein die Menschen auch wieder untereinander verstehen können,
und dass die Kirche der Ort sein soll,
an dem das geschieht,
das sind doch alles sehr große und wichtige Gedanken.
Dietrich Bonhoeffer (1906 - 1945)
Zum historischen Hintergrund:
Am 5. April 1943 wird Dietrich Bonhoeffer verhaftet und zwei Jahre später – am 9. April 1945, vor 75 Jahren – auf ausdrücklichen Befehl Adolf Hitlers als einer der letzten NS-Gegner, die mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht wurden, hingerichtet. Aus dem Gefängnis schreibt er Briefe an seine Eltern, seine Verlobte und seine Freunde. Der Brief vom 14. Juni 1943 ist an seine Eltern Paula und Karl Bonhoeffer adressiert.
Zitiert nach:
Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. v. Eberhard Bethge, Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1957, Seite 42f.
3. Juni 2020 MUT MACHEN 59
Von der Dummheit – ein Gedankenexperiment
Über die Dummheit hat der Theologe Dietrich Bonhoeffer zwischen den Jahren 1942 und 1943 geschrieben. Im Blick hatte er die Dummheit jener Mitläufer im Dritten Reich, die fest daran glaubten, dass Adolf Hitler viel Gutes für das deutsche Volk bewirken würde, und dass alles gar nicht so schlimm sei, wie andere behaupteten.
Dummheit hat viele Facetten. Machen wir doch ein Gedankenexperiment – und lassen einfach mal den historischen Hintergrund von damals weg. Stattdessen lesen wir sie mit dem Blick auf die gegenwärtige Dummheit, die ihre Siege feiert, wie z.B. in Phrasen wie „Covid 19 – das Virus, das es gar nicht gibt.“ Oder in Menschen, die ihren Leichtsinn für ihr Bürgerrecht halten und dabei den Tod anderer Menschen einfach in Kauf nehmen, weil sie Abstandsregeln ignorieren und von Staatsterror schwafeln.
Bemerkenswert an Bonhoeffers Diagnose von 1943 ist, dass seine Alternative nicht lautet: Mehr Bildung für die Dummen! Denn viele dummen Menschen sind überaus gebildet. Deshalb – so Bonhoeffer – kann man von der Dummheit nur befreit werden.
Lesen Sie selbst die Sätze Bonhoeffers (i. A.) von 1942 mit dem Fokus auf das Jahr 2020:
Von der Dummheit
Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse lässt sich protestieren, es lässt sich bloßstellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurücklässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt lässt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch – und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich.
Um zu wissen, wie wir der Dummheit beikommen können, müssen wir ihr Wesen zu verstehen suchen. Soviel ist sicher, dass sie nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind. Diese Entdeckung machen wir zu unserer Überraschung anlässlich bestimmter Situationen. Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, dass die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als dass unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich dumm machen lassen. […]
Dass der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, dass man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat. Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen missbraucht, misshandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen. Hier liegt die Gefahr eines diabolischen Missbrauchs. Dadurch werden Menschen für immer zugrunde gerichtet werden können.
Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, dass nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte. […] Das Wort der Bibel, dass die Furcht Gottes der Anfang der Weisheit sei, sagt, dass die innere Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott die einzige wirkliche Überwindung der Dummheit ist.
Übrigens haben diese Gedanken über die Dummheit doch dies Tröstliche für sich, dass sie ganz und gar nicht zulassen, die Mehrzahl der Menschen unter allen Umständen für dumm zu halten. Es wird wirklich darauf ankommen, ob Machthaber sich mehr von der Dummheit oder von der inneren Selbständigkeit und Klugheit der Menschen versprechen.
Zum historischen Hintergrund:
Am 9. April 1945 – vor 75 Jahren – wird Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg durch ein Standgericht zum Tode verurteilt. Zwei Jahre vorher schreibt er an seine Mitverschwörer in der ‚Deutschen Abwehr‘, General Oster und dessen Assistenten, Hans von Dohnanyi, der zugleich der Schwager Bonhoeffers ist seine Reflexionen über die letzten Jahre mit der Überschrift: „Nach zehn Jahren. Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943“. Und er stellt darin noch weitere ethische Fragen zur Zivilcourage, zum Erfolg, zur Menschenverachtung, zur immanenten Gerechtigkeit, zu Vertrauen, zum Qualitätsgefühl und Mitleiden.
Zitiert nach:
Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. v. Eberhard Bethge, Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1957, Seite 15f.
2. Juni 2020 MUT MACHEN 58
Pfingst-Ruf
nach der mittelalterlichen Pfingstsequenz
„Veni sancte spiritus“
Hierhin, Atem, steck mich an,
send aus deiner fernsten Ferne
mir Wellen Lichts.
Willkommen Armeleutevater,
willkommen Obermundschenk,
willkommen Herzensjäger.
Bester Tränentrockner,
lieber Seeleneinwohner,
mein Freund, mein Schatten.
Einmal Ausruhn
für Grübler und Gehetzte, für Verkrampfte,
ein Aufatmen bist du.
Unmöglich schönes Licht,
überström den Abgrund
meines Herzens, dir so vertraut.
Gott bist du, ohne dich
ist alles Nacht und Nebel,
Grausamkeit, Schuld.
Aber du machst reine.
Verwelkt meine Blüte – gib Wasser,
salb meine Wunden
Steif steh ich da, Zugang verboten,
eisig. Tau mich auf, wärm mich.
Fremd geh ich, such mich.
Ich sag dir ja, tu nein.
Vergilt meine Zweifel mit Freundschaft,
siebenmal tausendmal.
Nichts bin ich ohne dich.
Tot will ich zu dir hin.
dann werd ich lachen.
Huub Oosterhuis
Übersetzung Alex Stock
Du Atem meiner Lieder. Hundert Lieder und Gesänge.
hg.v. Cornelis Kok, Herderverlag Freiburg 2009, Seite 128f.
30. Mai 2020 MUT MACHEN 57
Auch eine Art von Pfingstgedicht
Ein Mensch, der beinah mit Gewalt
auf ein sehr hübsches Mädchen prallt,
er stottert – stutzt
und lässt den Glücksfall ungenutzt.
Was frommt der Geist, der aufgespart
löst ihn nicht Geistesgegenwart?
Der Mensch übt nachts sich noch im Bette
wie strahlend er gelächelt hätte.
Hat Eugen Roth geschrieben, ein richtig guter Dichter.
Weil ich es frei zitieren kann – grad heller wird’s und lichter –
so nehm ich dieses eine Mal das Recht mir frech heraus:
Der Hinweis auf die Rechte – ist heute grad mal aus.
Anders gesagt:
Leben geht nicht im Konjunktiv
Ihr /Euer Eberhard Hadem
28. Mai 2020 MUT MACHEN 56
Zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten
– im Warten auf Gottes Geist
Manchmal
träume ich davon
dass ich nicht immer
nur blühen muss
sondern Zeit
Ruhe habe
um Kraft für neue Triebe
zu sammeln.
Andrea Schwarz (EG Seite 267)
Ein ähnlicher Gedanken – nur weltlich gesprochen:
Heute
nichts erlebt
auch schön
Diesen Satz fand ich an einer Hauswand in Berlin
Ihr/Euer Eberhard
27. Mai 2020 MUT MACHEN 55
Verantwortung geschieht immer vis-à-vis – lokal wie global
Unsere europäischen Nachbarn waren sehr irritiert, warum ausgerechnet Deutschland so schnell und radikal die Grenzen dicht gemacht hat. Als wäre das Corona-Virus ein Problem der jeweiligen Nationalstaaten.
Wenn uns das Virus etwas Wichtiges lehren kann, dann doch wohl dies: Das Virus kennt keine Grenzen. Und damit erweitert sich unsere Verantwortung. Natürlich ist es richtig, dass ich nur für die Reichweite verantwortlich sein kann, die ich mit einer Antwort erreichen kann. Schließlich heißt es ja Ver-Antwort-ung.
Aber stimmt es wirklich, dass nur jeder nationale Staat seinen Bürgern Antwort geben kann oder ist das nicht trotzdem eine Milchmädchenrechnung?
Wenn wir auf einem riesigen Blatt Papier alle Menschen mit Bleistiftpunkten markieren würden und die Bewegung aller Punkte über die ganze Welt mit demselben Bleistift nachzeichnen würden, je nachdem, wohin Menschen fliegen oder fahren, gehen oder laufen, transportiert werden oder sich selbst hinbewegen, dann würden wir ein unfassbar dichtes schwarzes Gewimmel an Verbindungen schaffen. Selbst der einsamste Mensch ist durch kleinste Bewegung mit anderen verbunden.
Wir alle haben es erlebt: An diesen Bleistiftstrichen entlang hat sich auch das Virus von einem zum anderen fortbewegt, über die ganze Welt.
Aktuell so zu tun, als würde das Virus trotz der Lockerungen nicht mehr entlang unserer Bewegungsmuster unterwegs sein, ist ein Irrglaube, ist Verdrängung.
Wir sollten lernen, ‚mit Corona‘ zu leben – und aufhören, auf eine Zeit zu hoffen, von der es irgendwann einmal heißen wird, dass sie ‚nach Corona‘ ist. Damit wir uns sobald wie möglich auch unserer gemeinsamen europäischen Verantwortung stellen – zu der auch gehört, anderen Staaten zu helfen.
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
26. Mai 2020 MUT MACHEN 54
„Deine Seele soll sein ein bewässerter Garten“
Wasser ist oft das Geheimnis eines üppigen Gartens. Die spanische Mystikerin und Ordensfrau Teresa von Avila (1518-1582) überträgt das Bild vom Garten und vom Wasser auf den Menschen. Für sie ist die Seele eines Menschen ein Garten, der ohne Wasser abstirbt. In ihrem ‚Gartengleichnis‘ hat sie sich Gedanken darüber gemacht, wie ein Mensch auf dem Weg des inneren Gebetes reifen und wachsen kann. Dabei vergleicht sie die Seele mit einem Garten. Und der kann nur gedeihen, wenn er gründlich bewässert wird. Sie schreibt in ihrer Biographie (Das Buch meines Lebens. Vollständige Neuübertragung. Ges. Werke Bd.1, Herder 2001, Kap.14, 6):
Ich meine, dass man auf viererlei Weisen bewässern kann: Entweder, indem man Wasser aus einem Brunnen schöpft, was uns große Anstrengung kostet; oder mit Hilfe von Schöpfrad und Rohrleitungen, wo das Wasser mit einer Drehkurbel heraufgeholt wird; ich habe es selbst manchmal heraufgeholt: das ist weniger anstrengend als jene andere Art und fördert mehr Wasser; oder aus einem Fluss oder Bach: Damit wird viel besser bewässert, weil die Erde besser mit Wasser durchtränkt wird und man nicht so oft bewässern muss, und es ist für den Gärtner viel weniger anstrengend; oder indem es stark regnet; dann bewässert der Herr ihn ohne jede Anstrengung unsererseits, und das ist unvergleichlich viel besser als alles, was gesagt wurde.
Die vier Bewässerungsarten stehen für die kleinen und größeren Mühen, durch die ich in Gebet und Meditation die Tugenden des Geistes in mir wirken lassen kann. Gott bewässert den Garten sicher auch ohne unser Zutun. Aber es bedeutet nicht, dass ich mich innerlich zurücklehnen kann, nach dem Motto: ‚Der liebe Gott macht das schon für mich.‘ Denn wir selbst, sagt Therese von Avila, sind verantwortlich für unseren Garten, für unsere Seele, die wir nicht haben, sondern die wir sind. Damit sie, die Seele, ein bewässerter Garten (Jes. 58,11) werden kann. Das wünsche ich Ihnen/Euch auch
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
23. Mai 2020 MUT MACHEN 53
„Der Mensch im Garten“
Evangelische Morgenfeier in Bayern 1
mit Pfarrer Eberhard Hadem
Der Garten ist für viele Menschen ihr Paradies. Zur Gartenarbeit haben manche ein eher gespaltenes Verhältnis: Die einen mögen es sehr, die anderen gar nicht, selbst wenn sie sich gerne im Garten aufhalten.
Wenn Sie erfahren möchten, warum erst die Grenze aus dem Garten ein Paradies macht; worin die Liebe dem Garten ähnlich ist oder auch umgekehrt; warum die heilige Therese von Avila davon überzeugt war, dass jeder Mensch ein Garten sein kann, in dem sogar Gott spazieren geht, dann schalten Sie morgen, Sonntag 24. Mai 2020 von 10.30 bis 11 Uhr das Radio (Bayern 1) ein.
Oder Sie können auf der Homepage des Bayerischen Rundfunks die Evangelische Morgenfeier
nachlesen
oder nachhören.
22. Mai 2020 MUT MACHEN 52
Feste Meinungen oder festes Herz?
Für die Wissenschaften – auch Virologie und Epidemiologie – gehören der Irrtum und der Zweifel zu den zentralen Artikeln ihres Wissens-Bekenntnisses. Der Wahrheit verpflichtet sind sie täglich darum bemüht, eigene Irrtümer und Fehleinschätzungen zu korrigieren.
Das macht ihre Zuverlässigkeit aus, dass sie stets zweifeln. Ob das, was sie bisher als richtig angesehen haben, tatsächlich zutrifft – und im besten Fall korrigiert werden muss.
Wir als Bürgerinnen und Bürger wollen von den Wissenschaften etwas anderes: Wir wollen Sicherheiten. Wir wollen eindeutige und zuverlässige Ansagen, was zu den verschiedenen Aspekten in der Corona-Krise stimmt und was nicht stimmt; was zutrifft, und was nicht zutrifft.
Weil wir diese Sicherheiten nicht bekommen, glauben manche, dass die Wissenschaftler auch nur ihre Meinungen verbreiten würden – so wie wir als Laien auch Meinungen haben.
Aber so funktioniert Wissenschaft nicht.
Weil wir an die Wissenschaften falsche Erwartungen stellen, gibt es gegenwärtig Zweifel und Misstrauen mit allerlei Verschwörungstheorien.
Wir sehen die Experten streiten, wie Kinder die Eltern streiten sehen, von unten her. Dann fangen wir an, untereinander zu streiten, schreibt der italienische Schriftsteller Paolo Giordano (In Zeiten der Ansteckung. Hamburg 2020, Seite 65).
Keine wissenschaftliche Prognose kann mir ein festes Herz schenken.
Das kann nur Gott allein.
Mit einem festen Herz kann ich mit anderen zusammenleben, ohne sie zu diffamieren oder zu bedrohen. Ein festes Herz bewahrt mich davor, Solidarität zu zerstören oder dazu aufzurufen, sie zu zerstören. Ein festes Herz hilft, die Wissenschaften ihre Arbeit machen zu lassen.
Ein festes Herz wünscht
Ihr /Euer
Eberhard Hadem
Jesaja 26,3:
Zu der Zeit wird man dies Lied singen: (…) Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden; denn er verlässt sich auf dich, mein Gott.
Hebräerbrief 13, 9:
Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.
21. Mai 2020 MUT MACHEN 51
Genommenes Wunder
Schon als Jugendlicher habe ich den österreichischen Dichter Erich Fried sehr geschätzt. Mit 17 Jahren konnte ich an einer Dichterlesung mit ihm teilhaben. Etwa 15 Leute waren gekommen, in meiner – eher konservativen – Heimat war das schon ein Wunder. Denn Fried gehörte in ihrer Sicht zu den ‚linken Dichtern‘, was er auch gewiss war, aber eben nicht nur das.
Er kam durch eine Seitentür herein, mit seinen beiden Krücken schleppte er sich die wenigen Meter zu seinem Stuhl, vor dem wiederum ein kleiner quadratischer Tisch stand, auf dem lose Blätter lagen. Ich hatte damals schon viel von ihm gelesen, davon, dass seine Familie im KZ umgebracht worden war, dass manche Österreicher ihn genauso wie einige Deutschen liebten und gleichzeitig hassten. Er suchte die Wahrheit, besonders die der Vergangenheit – und die war in den späten 68iger Jahren trotz der nicht nachlassenden Nachfrage von uns Jüngeren nicht gefragt. Zu frisch waren die Wunden des Krieges, so hieß es. Nur – man sprach nicht von den Wunden der Opfer. Das aber tat Erich Fried. Und ganz nebenbei war ein genialer Dichter und Shakespeare-Übersetzer.
Es dauerte etwas, bis er endlich richtig auf seinem Stuhl saß. Seine Haare fielen etwas wirr in sein Gesicht. Dann schaute er jeden einzelnen der 15 Leute in dem kleinen Gemeindesaal an, die im Abstand von grad mal 4 Metern von ihm entfernt saßen und höflich geklatscht hatten, als er auftrat. Er nahm sich Zeit für Anschauen und tat das weder freundlich noch unfreundlich. Eher so, als wolle er wahrnehmen, wer diejenigen waren, die da vor ihm saßen. Dann senkte er den Kopf über die Blätter, zog seine dicke Brille heraus und begann mit der Lesung.
Eines meiner Lieblingsgedichte von Erich Fried lautet: Genommenes Wunder
Auch das sagen wir zu selten:
‚Es nimmt mich Wunder‘.
Zwar, wir wundern uns oft,
aber ohne an Wunder zu glauben.
Besonders nicht an so große,
die uns ganz einfach ‚nehmen‘.
Darum solls uns nicht Wunder nehmen
Daß unsere Sprache verarmt.
Christi Himmelfahrt ist ein Wunder – weil es ohne dieses geniale Bild von der Himmelfahrt nicht möglich gewesen wäre, dass Christus allen Menschen nahe sein kann, nicht mehr nur seinen Jüngern damals. Das nimmt mich Wunder. Nach wie vor.
Einen frohen und gesegneten Christi Himmelfahrtstag
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
Text: Erich Fried. Unverwundenes. Liebe, Trauer, Widersprüche Wagenbach-Verlag Berlin 1988 S. 38
19. Mai 2020 MUT MACHEN 50
Aussichten
Wir stehen möglicherweise vor einer Zeit,
in der zur Wiederbelebung der Wirtschaft
zu Konsum aufgerufen wird,
mit dem gleichen moralischen Anspruch, der
vor der Krise
die Verzichtsappelle
zum Klimaschutz begleitete.
Philipp Tingler
Schriftsteller, Philosoph, Neue Zürcher Zeitung (NZZ)
zitiert nach: CiG 20/2020 vom 17. Mai 2020, Seite 215
15. Mai 2020 MUT MACHEN 49
Einladung zum Open-Air-Gottesdienst am 17. Mai
Seid ohne Furcht! – Gottesdienst in Pfaffenhofen
Die Kirchengemeinde Pfaffenhofen mit Pruppach feiert am 17. Mai einen kurzen Open-Air-Gottesdienst um 9.30 Uhr auf dem Friedhof bei der Ottilienkirche.
Das Gemeindefest findet nicht statt, dafür Musik zum Hören, Lesungen und Gebet, einer Kurzpredigt, deren Langfassung als Kopie mit nach Hause genommen bzw. hier heruntergeladen werden kann.
„Sich endlich wieder treffen“ – lautet das Motto. Aber wir wollen niemanden gefährden und schauen erst mal, was sich dabei bewährt. Der Gottesdienst wird so gestaltet, dass Jung und Alt – ohne Furcht sich anzustecken – daran teilnehmen können, Familien mit Kindern ebenso wie Senioren.
Eine Mund-Nase-Bedeckung ist dabei obligatorisch. Im Abstand von 1,5 bis 2 m stehen hinter der Kirche insgesamt 50 Stühle und Bänke zur Verfügung, die die Gottesdienstbesucher durch den Haupteingang des Friedhofs erreichen.
Durch das große Tor zur Wiese können alle Besucher den Friedhof nach etwa 20 Minuten wieder verlassen. Bei Regen fällt der Open-Air-Gottesdienst aus.
Wenn alles gut klappt, soll auch der Pfingstfestgottesdienst am 31. Mai als Open-Air-Gottesdienst gefeiert werden.
Bitte an die Mund-Nase-Bedeckung denken!
Gebet
Wir beten für alle Menschen, die in Panik sind.
Wir beten für die, die von Angst überwältigt sind.
Wir beten um inneren Frieden für uns Christen
inmitten dieses Sturms, um eine klare Sicht.
Sei uns allen Schutz und Schirm.
Bewahre unsere Gesundheit.
Gib Halt und Zuversicht.
13. Mai 2020 MUT MACHEN 48
Seid ohne Furcht
Seid ohne Furcht oder Fürchtet euch nicht sind Worte aus der Bibel. Am Schwanberg bei Kitzingen lebt die ‚Communität Casteller Ring‘ (CCR), deren Gottesdienste mir seit vielen Jahren eine geistliche Heimat sind. Eine Inschrift an der Michaelskirche der Kommunität nimmt die Gedanken der Bibel auf:
„Seid ohne Furcht, wenn eines Tages die Kraft der Atome
den kreisenden Erdball zersprengen sollte,
dann wird sie doch nichts sein gegen jene Gewalt,
die den Stein vom Grabe hinwegwälzte.
Christus hat einmal den Tod besiegt,
alles Grauen währt nur bis zum dritten Tag
und jede Vernichtung ist eingeschlossen
in seine und unsere Auferstehung.“
In der Lorenzkirche kam einmal ein Mann zu mir und bat mich um ein Gespräch. Nach einiger Zeit des Schweigens griff er in seine Hosentasche und brachte ein Päckchen Papiere hervor, alle zerknittert, leicht zerfetzt. Sorgsam, als wären es wertvolle Briefe, blätterte er sie auseinander bis er den fand, auf dem dieser Satz aus der Michaelskirche stand, handgeschrieben. Er las ihn vor, nickte dann und sagte: „Ohne den wüsste ich nicht, wie ich leben sollte.“
Ich in meinem bürgerlichen Denken habe damals geglaubt, er komme um mich um Hilfe zu bitten, weil er wieder anders leben wolle. Doch sein Leben auf der Straße war seine Art, sich einem schrecklichen Erlebnis zu verweigern, das er erlebt hatte. Und das zerknitterte Blatt Papier mit dem Text „Seid ohne Furcht…“ half ihm, es damit auszuhalten, wie es ist. Manchmal ist das schon viel. Sein Wunsch an mich war ein Gebet und ein Segen. Danach ging er wieder.
Ich habe in diesem Moment gelernt, dass das Leben nicht immer und für jeden eine Jesuskurve nimmt, wie ich sie mir denke. Wann und wie für einen Menschen der dritte Tag der Auferstehung beginnt, ist eine Sache zwischen Gott und ihm selbst. Bis dahin begleitet uns alle das Wort Jesu: Seid ohne Furcht!
12. Mai 2020 MUT MACHEN 47
Pippi Langstrumpf und die Corona-Protestler
Ich bin immer wieder erstaunt,
wie rücksichtslos manche Menschen
über die politischen Maßnahmen sprechen,
als würden wir in einer Diktatur leben.
Dabei ist doch die Tatsache der Lockerung
das beste Beispiel dafür,
dass alle Maßnahmen temporär sind
– darin liegt ihr demokratische Legitimation begründet.
Ich verstehe,
dass Menschen bangen
um ihren Arbeitsplatz, ihr Geschäft,
ihre wirtschaftliche oder berufliche Zukunft.
Den grade beginnenden
Sturmlauf der unsolidarischen Menschen
dagegen verstehe ich nicht.
Aber schon Pippi Langstrumpf ist sturmerprobt:
Tommy und Annika sagen: „Der Sturm wird stärker!
Pippi antwortet: „Macht nichts! Ich auch!“
Also: Seid ohne Furcht!
08. Mai 2020 MUT MACHEN 46
Warum der liebe Gott ein Franke sein muss…
Ein Franke geht spazieren am Rothsee.
Trifft er den lieben Gott.
Sagt der Franke zum lieben Gott:
„Was machsddn du dou?“
Sagt Gott:
„Home Office.“
07. Mai 2020 MUT MACHEN 45
Warum Kinder und Senioren wichtiger sind als Fußball
In einem lesenswerten Interview mit den ‚Nürnberger Nachrichten‘ (veröffentlicht am Montag dem 4. Mai auf Seite 17) beantwortet der Erlanger Theologieprofessor Peter Dabrock die Frage nach der Fortsetzung der Bundesliga. Und er ist da sehr präzise und verständlich in dem, was er sagt. Ich habe ihn zwei Jahre in seinem Oberseminar erleben dürfen. Mich hat beeindruckt, wie er im Streit um die verschiedenen Sichtweisen bei einem ethischen Problem zu einem Urteil kommt. So wie er im Interview spricht, so ist er auch selber: In der Sache klar, in der Sprache freundlich und zugewandt. Und als Fußballfan teile ich dennoch, was er sagt: Solange es beispielsweise bei Kitas keinen Fahrplan gibt, erscheint die Besorgnis um die Bundesliga überspannt. Und er – ein Fan mit Dauerkarte in der Südtribüne des BVB – stellt am Schluss einen angemessenen Vergleich auf:
„…Ich vermisse den Fußball ja auch, und ich verstehe jeden, der die geliebte Zerstreuung wieder haben will. Auf der anderen Seite dürfen unzählige Menschen seit Wochen Alten- und Pflegeheim nicht mehr verlassen. Die Frage lautet: Was ist eher verzichtbar? Wo soll als erstes die geballte gesellschaftliche Anstrengung hinein, wohin knappe Güter wie die wichtigen Tests?“
Gott befohlen
Ihr/Euer Eberhard Hadem
Weiterlesen
06. Mai 2020 MUT MACHEN 44
Die Maske, mein Atmen und ich
In einem Psalm (103, 1) heißt es: „Lobe den Herrn, meine Seele“. Eigentlich sollte man das letzte Wort nicht mit „Seele“ übersetzen. Das hebräische Wort an dieser Stelle heißt ‚nefesch’ und meint wörtlich die ‚Kehle’ des Menschen, durch die der Lebensatem fließt. „Lobe den Herrn, meine Kehle“ – das klingt zwar komisch, macht aber Sinn: Durch die Kehle geht der Lebensatem hinein und wieder heraus, bilden sich Töne und Stimmungen, dringt Gutes, aber auch manches Schlechte nach außen. Ohne Lebensatem durch unsere Kehle wäre kein Leben in uns. Die Seele des Menschen ist also kein Etwas in ihm drin, sondern jeder Mensch ist ganz und gar eine Seele, mit allen Sinnen, Leib, Gemüt und Verstand. Wir haben keine Seele, wir sind eine Seele.
Vielleicht haben wir auch deshalb in der Corona-Krise unsere Probleme mit einer Maske, die Mund und Nase bedeckt. Als würden wir durch sie daran gehindert, wir selbst zu sein. Ich spüre meinen eigenen Widerwillen und weiß, dass es anderen auch so geht. Und es gibt alle möglichen guten Ratschläge, dass eine Maske nicht zu lange getragen werden soll – was aber den Arbeitenden in den Geschäften und Betrieben keine Wahlmöglichkeit lässt! Ja, das ist so, dass das Atmen mit Maske schwerer fällt.
ABER lassen wir die Kirche doch mal im Dorf: Noch immer atme ich, noch immer geht Leben durch mich hindurch, macht mich lebendig – auch dann, wenn ich eine Maske trage. Ich kann mit kleinen Einschränkungen alles mit der Maske machen, was ich auch ohne Maske mache. Vielleicht muss ich einfach meinen Verstand einschalten und mich selber daran erinnern, dass keine Maske der Welt mich daran hindert, ich selbst zu sein! Deshalb kann ich diese ganze Anti-Masken-Hysterie nicht so richtig nachvollziehen.
Ich finde es einen Akt der Nächstenliebe, eine Maske zu tragen, denn ich trage sie vor allem, um den anderen vor mir zu schützen – umso mehr, wenn es Lockerungen geben wird. Brauche ich wirklich noch mehr Begründung, warum ich eine Maske tragen soll? Genügt es nicht, dass ich selber bereit bin zu tun, was ich mir von anderen auch wünschen würde? Dass ihnen etwas daran liegt, mich nicht zu infizieren!
Als Gott den Menschen schuf, blies er seinen göttlichen Atem in ihn, erzählt das Schöpfungslied in der Genesis. So ist jeder Atemzug, den wir machen, ein Hinweis darauf, dass Gott selbst, der Himmel und Erde gemacht hat, auch in uns lebt. So ist auch bis zum letzten Atemzug jeder und jede eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter Gottes auf Erden. Jedes Gebet, das zu Gott kommt, jede gute Hand, die anderen hilft, jedes Wort, das Mut macht, wäre nicht möglich ohne die nefesch, die Seele, durch die Gottes Atem fließt und uns bewegt. Nicht einmal eine Maske kann das ändern.
Gott befohlen
Ihr/Euer Eberhard Hadem
03. Mai 2020 MUT MACHEN 43
Warum Helga Witt-Kronshage lieber sterben will als eingeschlossen zu sein
Das Schlimmste, sagt Helga Witt-Kronshage, ist gar nicht die Einsamkeit. Es ist nicht das Verbot, mit dem Rollstuhl in den Garten zu fahren, wo die Frühlingssonne scheint. Es ist nicht die Stille und nicht die Menschenleere auf den Fluren und schon gar nicht die Angst vor dieser vermaledeiten Seuche. Es ist die Tatsache, dass niemand sie gefragt hat.
Mit diesen Worten beginnt ein lesenswerter Artikel über eine Preußin in Berlin-Wilhermsdorf, die über das Leben während der Coronakrise im Pflegeheim sagt: Wenn dieses Leben der Preis dafür ist, nicht an Corona zu sterben, dann möchte ich gar nicht geschützt werden. Was viele von uns in Deutschland wie auch Angela Merkel ‚Fürsorge‘ nennen, empfindet sie nicht als Schutz, sondern als Qual.
Mit Recht darf gestritten werden, ob im Handel eine 800 qm-Größe das Kriterium sein darf, das darüber mitentscheidet, ob ein Geschäft, ein Unternehmen weiter existieren darf oder in die Insolvenz gehen muss.
Aber bei den Senioren handelt es sich um Menschen und ihre Würde. Meines Wissens hat es keine Befragung derjenigen Senioren gegeben, die antworten hätten können, welchen Schutz sie wollen. Wir haben über sie hinweg fürsorglich entschieden, obwohl wir sie als Betroffene auch hätten beteiligen können.
Wenn ein Gerichtsurteil die Regierung dazu bringt, ihre Politik für die Geschäftswelt zu ändern – wie viel dringender steht ein Politikwechsel mit Senioren und für Senioren an?
Zum Weiterlesen
02. Mai 2020 MUT MACHEN 42
Meine Großmutter hat mir mal diesen Tipp gegeben:
Wenn die Zeiten schwierig sind,
gehe in kleinen Schritten weiter.
Tu, was du tun musst, aber tue es langsam.
Denk nicht an die Zukunft
oder was morgen passieren kann.
Reinige das Geschirr.
Wisch den Staub ab.
Schreibe einen Brief.
Koch Suppe.
Siehst du das? Du gehst vorwärts, Schritt für Schritt.
Mach einen Schritt und dann Pause.
Ruh dich aus.
Schätze dich selbst.
Mach den nächsten Schritt.
Dann noch einen.
Du wirst es kaum merken,
aber deine Schritte werden länger werden
bis es soweit ist,
wo du wieder an die Zukunft
denken kannst ohne zu weinen.
Elena Mikhalkova
Der Raum der alten Schlüssel
30. April 2020 MUT MACHEN 41
Schön, dass es dich gibt
Ein christlicher Verlag für Bücher, Kalender, Musik und Geschenke in Hessen hat eine richtig gute Idee. Dort kann man relativ günstig Mund-Nasen-Masken in etwas höherer Qualität als die Alltagsmasken kaufen. Das Besondere dabei: Jede und jeder kann einen persönlichen Aufdruck gestalten lassen. Der Lieblingstext in vielen Design-Varianten lautet: „Schön, dass es dich gibt!“
Eine Maske dient eigentlich dazu, sich selbst vor den anderen Menschen zu schützen. Sie steht also für eine Art Selbstisolation. Maske und Handschuhe in der Öffentlichkeit senden eine Botschaft: „Steckst du mich nicht an – steck ich dich nicht an!“
Da wird der Andere schnell zum verdächtigen Subjekt, das mich bedrohen könnte.
Da bin ich vorsichtiger, weil ich vom Anderen nur noch die Augen sehe.
Da fällt es mir schwer, mir ein freundliches Lachen hinter der Maske vorzustellen.
Weil man es einfach nicht sieht.
Wunderbar, dass die Maske dazu benutzt werden kann, um mit anderen Menschen zu kommunizieren. Noch dazu mit der positiven Verstärkung: „Schön, dass es dich gibt!“
Im Vis à vis, im Gegenüber bleiben, das ist in Zeiten der Corona-Krise nicht ganz einfach – aber so unendlich wichtig. Sich trotz Maske immer noch sehen, wahrnehmen, achten, ehren, bestärken, ermutigen – darauf kommt es an. „Schön, dass es dich gibt!“
Die Bibel erinnert uns an diese zeitlose Botschaft. Sie meint, was sie in einer schönen Sprache voller Liebe sagt: „Du bist der Schönste unter den Menschenkindern, voller Huld sind deine Lippen“ (Psalm 45,3). Wer so über andere denkt und spricht, der stärkt auch ihr Immunsystem.
Gott befohlen, ihr Schönen in Pfaffenhofen und Pruppach!
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
29. April 2020 MUT MACHEN 40
Über die dringende Verschwendung von Zärtlichkeit
„Bitte nicht ins Gesicht fassen“ – ist ein wiederholter Hinweis in diesen Tagen, damit man sich nicht mit eventuellen Viren, die sich an den Fingern und Händen ablagern, ansteckt, die so den Weg zu den empfindlichen Schleimhäuten finden.
Anfassen, tasten, berühren – wie sehr uns das fehlen kann, erfahren Menschen in der Corona-Krise überdeutlich. Nicht nur in den Pflege- und Seniorenheimen, den Krankenhäusern, sondern auch in den Wohnungen. Und wie gut es mir tut, wenn jemand da ist, der mich anfasst. Zärtlichkeit ist ein Gottesgeschenk. Doch dieses Geschenk ist bedroht.
Der Mensch besitzt 750 bis 900 Millionen ‚tastsensible Rezeptoren‘ in seinem Körper, z.B. in Haut, Muskeln, Sehnen und Haaren. Von Kopf bis Fuß ist er von einem Netz von Sensoren durchzogen. Das Haptik-Forschungslabor Leipzig hat festgestellt, dass die Tastsinnleistungen von jungen Studentinnen und Studenten in den letzten Jahrzehnten geringer geworden sind, weil der Mensch immer reizärmer lebt: Überwiegend in Räumen, an Rechnern und weniger im Freien, in der Natur.
Der Mensch fasst sich unbewusst etwa vierhundert bis achthundert Mal am Tag ins Gesicht. Warum macht er das? – Er frischt auf diese Weise sein Kurzzeitgedächtnis auf oder er beruhigt hochfahrende Emotionen. Schön ein Fötus im Mutterleib reagiert schon mit solcher Geste auf Stress, um sich unbewusst damit auseinanderzusetzen. Oder um sich zu beruhigen. Offenbar hilft uns die Selbstberührung, uns in kritischen Lebenssituationen in Balance zu halten.
Von dem Theologen und später ermordeten Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer haben seine Studenten an der Berliner Universität erzählt, dass er die Angewohnheit hatte, sich mit den Fingern der Hand leicht über die Stirn zu streichen, wenn es um schwierige Fragen ging. Diese Erkenntnis hatte sich unter den Theologiestudentinnen und -studenten verbreitet. Wenn Bonhoeffer das tat, dann wussten sie: Jetzt kommt etwas Wichtiges! Dann versuchte er die Dinge auf den Punkt zu bringen, und sein Tastsinn sollte ihm helfen, sich zu erinnern, was ‚jetzt dran war‘, was er jetzt zu sagen hatte.
Wenn um Entscheidendes und Wichtiges geht, spricht die Bibel vom Finger Gottes. Dieser habe die Zehn Gebote geschrieben (2. Mose 31,18). Auch Erde und Himmel sind Gottes, „seiner Finger Werk“ (Ps. 8, 4).
Durch Berührung geschieht Gewaltiges. Da steckt Schöpferkraft drin! Deshalb – ihr Menschen in den Wohnungen und Häusern von Pfaffenhofen und Pruppach: Spart nicht an Zärtlichkeiten füreinander! Seid verschwenderisch in euren Familien! Verschenkt euch!
28. April 2020 MUT MACHEN 39
Herr mein Gott
Ich danke dir dass du diesen Tag zu Ende gebracht hast
Ich danke dir dass du Leib und Seele zur Ruhe kommen lässt
Deine Hand war über mir und hat mich behütet und bewahrt
Vergib allen Kleinglauben und alles Unrecht dieses Tages
und hilf dass ich allen vergebe die mir Unrecht getan haben
Lass mich in Frieden unter deinem Schutz schlafen
und bewahre mich vor den Anfechtungen der Finsternis
Ich befehle dir die Meinen
ich befehle dir dieses Haus
ich befehle dir meinen Leib und meine Seele
Gott dein heiliger Name sei gelobt
Amen
Abendgebet von Dietrich Bonhoeffer
27. April 2020 MUT MACHEN 38
Aufbrechen
Hände hoch dies ist ein Überfall
Wir sind gekommen
Sie zu befreien
Alle Ängste auf den Boden
Gesicht zum Himmel
Raus aus ihrem Gefängnis
Alle Schulden sind bezahlt
Sie können gehen
Gott
aus:
Susanne Niemeyer
Damit wir klug werden
100 Experimente mit Gott
Freiburg im Breisgau 2015, S. 22
Abdruck mit Erlaubnis der Autorin und des Verlags Herder
24. April 2020 MUT MACHEN 37
Geteiltes Leid, geteilte Freude
Es gibt ein uraltes griechisches Wort für geteiltes Leid, das jeder kennt: συνπαϑος. Verbindet man die beiden griechischen Worte syn (dt. zusammen) und pathos (dt. Leid) miteinander, dann wird daraus sympathos, auf Deutsch: geteiltes Leid. Wir haben es in unseren Wortschatz übernommen und verwenden das deutsche Wort ‚Sympathie‘ eher wie einen Ausdruck der Zuneigung: ‚Der oder die ist mir sympathisch‘.
Doch wörtlich heißt es: ‚mit-leiden‘, also geteiltes Leid, zusammen Leid tragen. Man könnte im weitesten Sinne sagen: ‚Wer bereit ist, mit mir zu leiden, hat meine Sympathie.‘
Leid tragen ist auf jeden Fall kein Soloprojekt. So wie das Sprichwort sagt: ‚Geteiltes Leid ist halbes Leid‘.
Für den Gegensatz zum Mit-Leiden gilt das genauso: Sich nur für sich selbst zu freuen, kennt die Bibel kaum. Sie spricht vor allem von συγχάρoς, von der ‚geteilten Freude‘. Verbindet man die beiden griechischen Worte syn (dt. zusammen) und charis (dt. Freude), dann wird daraus syncharos, auf Deutsch: geteilte Freude), sich zusammen freuen. Das griechische Wort kennt im Deutschen aber leider kaum jemand. Deshalb sagt selten jemand: ‚Geteilte Freude ist doppelte Freude‘.
Diese Freude teilen in der jetzigen Osterzeit die, die an Jesu Auferstehung glauben. Als Solist daran zu glauben, ist schwer. Gemeinsam verbunden wird ein starkes Band geflochten, in das jeder sich einbinden lassen kann, um beides zu teilen: Leid und Freude.
Gott befohlen
Ihr/Euer Eberhard Hadem
Geteilte Freude (gr. syncharos) – ein Gemeinschaftsprojekt im Neuen Testament:
Am bekanntesten ist, was der Apostel Paulus (1. Kor. 12, 26) über Gemeinschaft sagt: Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied sich freut, so freuen sich alle Glieder mit. Das ist der Grund, warum wir Gemeinde-Glieder und nicht Mitglieder im ‚Verein Kirche‘ sind.
Wenn der Evangelist Lukas erzählt, dass Elisabeth schwanger wird mit Johannes, dem späteren Täufer, dann freuen sich Nachbarn und Verwandte mit ihr (Luk. 1, 58).
Wenn Jesus in den Gleichnissen vom verlorenen Schaf und vom verlorenen Groschen von der Freude des Wiederfindens spricht, heißt es an alle gerichtet: Freut euch mit mir… (Luk . 15, 6 und 9)
Wenn der Apostel die Philipper zur geteilten Freude auffordert, dann wird daraus sogar ein doppeltes und gegenseitiges Gemeinschaftsprojekt: So freue ich mich und freue mich mit euch allen. Darüber sollt ihr euch auch freuen und sollt euch mit mir freuen. (Phil. 2,17f.)
23. April 2020 MUT MACHEN 36
Die Predigt für den kommenden Sonntag, 26. April, liegt ab sofort in der Ottilienkirche aus und kann hier direkt heruntergeladen werden.
Der Prediger, Prädikant Gerhard Wendler, schreibt dazu:
Diese Predigt für den 26. April entstand früher als gewöhnlich,
weil sie von einer Lektorin vorgetragen werden sollte.
Es war die Zeit vor und am Anfang der Corona-Pandemie
und sie ist geprägt von der Hoffnung, dass die Beschränkungen
bis zum Predigttermin wieder aufgehoben sein werden.
Dies hat sich nicht erfüllt.
Aber es bleibt die Erkenntnis:
Es gibt auch noch andere Themen.
Diese Information bitte auch mündlich weitergeben – Danke!
Gott befohlen
Euer Eberhard Hadem, Pfarrer
22. April 2020 MUT MACHEN 35
Wer die Osterbotschaft gehört hat
der kann nicht mehr
mit tragischem Gesicht
umherlaufen
und die humorlose Existenz
eines Menschen führen
der keine Hoffnung hat
Karl Barth
21. April 2020 MUT MACHEN 34
Vor 10 Tagen, am Sonntag dem 12. April, war das Osterfest
nach dem gregorianischen (Sonnen-)Kalender für die
evangelischen und katholischen Christen.
Am vergangenen Sonntag, dem 19. April, war das Osterfest
nach dem julianischen (Mond-)Kalender für die
orthodoxen Christen.
Christus ist auferstanden!
Im Jahr 2017 haben alle Christen Ostern an demselben Tag gefeiert
– damals am 16. April 2017
2025 werden alle Christen wieder gemeinsam Ostern feiern
– am 20. April 2025
Ich bin oft gefragt worden,
wie ich mir das Auferstehen vorstelle.
Ich stelle es mir nicht
in theologisch-dogmatisch bestimmten Bildern vor.
Aber in Träumen erhalte ich Belehrung darüber.
Der Kern ist immer der gleiche.
Ich werde getötet,
erschrecke einen Augenblick
und falle in eine dunkle Tiefe,
werde aber plötzlich
von etwas Unsichtbarem aufgefangen
und finde mich in einem Licht,
das ich vorher nie sah.
Luise Rinser
Evangelisches Gesangbuch
Seite 220
20. April 2020 MUT MACHEN 33
Die einen sagen
Haltet Einkehr bei
euch selbst
dort werdet ihr Ruhe
finden
Und das ist nicht wahr
Die anderen sagen
Wendet euch nach außen
sucht das Glück
indem ihr euch zerstreut
Und das ist nicht wahr
Das Glück ist
weder außer uns
noch in uns
Es ist in Gott
Blaise Pascal
19. April 2020 MUT MACHEN 32
Eine Künstlerin hat mir diese Plastik geschenkt
als ich ein junger Vikar war:
Sonntag ist’s!
Irgendwo zwischen Kitsch und Gemüt
erinnert sie mich daran,
was das Schönste am Sonntag ist:
Singen!
Ich bin an
den Sonntag gebunden
wie an eine Melodie,
ich hab‘ keine andre gefunden,
ich glaube nicht, aber ich knie‘.
Martin Walser
Heilige Brocken.
Aufsätze – Prosa – Gedichte
Frankfurt 1988, Seite 74
18. April 2020 MUT MACHEN 31
Führen und Leiten
Im Übrigen meine ich
möge uns der Herr weiterhin
zu den Brunnen des Erbarmens führen
zu den Gärten der Geduld
und uns mit Großzügigkeitsgirlanden
schmücken
Er möge uns weiterhin lehren
das Kreuz als Krone zu tragen
und darin nicht unsicher zu werden
soll doch seine Liebe unsere Liebe sein
Er möge wie es auskommt
in unser Herz eindringen
um uns mit seinen Gedankengängen zu erfrischen
uns auf Wege zu führen
die wir bisher nicht betreten haben
aus Angst und Unwissenheit darüber
dass der Herr uns nämlich aufrechten Ganges
fröhlich sehen will weil wir es dürfen
und nicht nur dürfen sondern auch müssen
Wir müssen endlich damit anfangen
das Zaghafte und Unterwürfige abzuschütteln
denn wir sind Kinder Gottes: Gottes Kinder!
Und jeder soll es sehen oder ganz erstaunt sein
dass Gottes Kinder so leicht und fröhlich sein können
und sagen: Donnerwetter
Jeder soll es sehen und jeder soll nach Hause laufen
und sagen: er habe Gottes Kinder gesehen
und die seien ungebrochen freundlich
und heiter gewesen
Weil die Zukunft Jesus heiße
und weil die Liebe alles überwindet
und Himmel und Erde eins wären
und Leben und Tod sich vermählen
und der Mensch ein neuer Mensch werde
durch Jesus Christus.
Hanns Dieter Hüsch
www.hüsch.org
17. April 2020 MUT MACHEN 30
du herr mein gott
hineni – hier bin ich
du kennst mich beim namen
dir bin ich nicht egal
wenn ich jetzt vor dir
mit meinem ganzen leben stehe
in deinem sohn jesus christus
hast du es bereits umarmt
und doch geschehen dinge
um mich herum
die ich mit deinem namen
nicht zusammenbringen kann
nimm an was meine möglichkeiten
und meinen verstand übersteigt
wer kann retten
wenn nicht du
sende deinen geist
in dunkle räume
des todes und der sünde,
um deines namens willen
das bitte ich dich durch jesus christus
deinen lieben sohn der mit dir
und dem heiligen geist lebt und regiert
von ewigkeit zu ewigkeit
amen
‚Hineni‘ ist ein hebräisches Wort und bedeutet ‚Hier bin ich.‘
Nach jüdischer Überlieferung ist es das erste Wort,
dass die ersten Eltern ihrem ersten Kind gesagt haben.
Es ist in der hebräischen Sprache der mächtigste Ausdruck
für menschliche Aufmerksamkeit und die Bereitschaft,
eine Aufgabe mit eindeutiger Verpflichtung und Präsenz.
Es ist eben nicht:
‚Sicher, ich werde mein Bestes tun.‘
Oder: ‚Mein Büro wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen.‘
Es ist:
‚Hineni! Ich bin hier,
jetzt, mit Leib und Seele,
um die Aufgabe zu erfüllen.‘
15. April 2020 MUT MACHEN 29
Von der Raupe zum Schmetterling
Geduld ist eine ihrer größten Stärken. Von klein auf ist das schon so gewesen. Mehrere Wochen lang hat die 12-jährige Maria Sibylla Merian die Seidenraupen in ihrer selbstgebauten Papierschachtel beobachtet. Der 30-jährige Krieg ist gerade eben vorbei, da nimmt man kleine und schöne Dinge anders wahr. Die kleine Merian beobachtet ganz genau, wie sich die graue Raupe zu einem Kokon einspinnt, mit einem hauchdünnen Seidenfaden, den sie mehrere Tausend Mal um sich selber schlingt. Wenn sie sich eingesponnen hat in ihren Kokon, löst sie sich auf – mit allem, was sie einmal als Raupe ausgemacht hat. Nichts bleibt erhalten, sondern wird eine suppige weiche Masse ohne irgendeine Struktur. In dieser Suppe befinden sich sogenannte Imago-Zellen, die das Bild des vollständigen Schmetterlings in sich tragen. Also Gen-Informationen, die dem künftigen Leben seine neue Gestalt geben. Nach ihnen formt sich nach und nach der komplette Körper eines luftigen Schmetterlings, der so gar nichts mit dem früheren Erdenwesen gemeinsam hat, das er vorher gewesen ist.
Ich habe mich gefragt, was sich bei uns zum Positiven ändern könnte, wenn wir in der Corona-Krise in unserer Wohnung die Lebensform der Verpuppung üben würden. Die Wohnung als Kokon, in dem vieles nicht möglich ist, was wir vorher gemacht haben. Viele Sicherheiten und Selbstverständlichkeiten lösen sich auf. Wir halten das kaum aus. Jede und jeder für sich, in einer Lebensform, die wir alle mit Abstand voneinander teilen. Wie die Raupen in ihren Kokons. Natürlich macht es einen gewaltigen Unterschied, ob ich als Eltern mit drei Kindern auf wenigen Quadratmeter lebe oder ob ich alleine in einer Wohnung derselben Größe lebe. Doch manche Ängste bleiben dieselben: Die Angst um den Arbeitsplatz oder dass die Kinder leiden, die Schulden über den Kopf wachsen u.a.m.
Weggesperrt fühlen sich viele, das stimmt. Sehen wir aber auch die Chancen, dass die eigene Wohnung ein schützender Kokon sein könnte? In dem ich die Zeit nutze, mich innerlich zu prüfen: Was brauche ich wirklich zum Leben? Wie viel brauche ich, um ein zufriedener Mensch zu sein? Oder besser: Wie wenig brauche ich dafür? Was lerne ich in dieser Zeit über mich? Wie war es möglich, dass ich so wenig über meine Nachbarn wissen konnte – oder gar nicht wissen wollte?
In der christlichen Bildersprache, der Ikonografie, wird die Verwandlung der unansehnlichen Raupe in den strahlenden Schmetterling zum Ostersymbol der Auferstehung: Der gekreuzigte Jesus wird im dunklen Grab zum Auferstandenen verwandelt, im Licht des Ostermorgens.
Der Schmetterling ist aber viel mehr als nur ein Symbol dieses Übergangs. In ihm verbindet sich die Verwandlung mit der Freude, wie es am Ende ausgehen kann. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum wir Schmetterlinge so mögen. Sie sehen wie ein Versprechen, wie eine Verheißung aus, dass das Schwere hinter und das Leichte vor einem liegt. Die Freude auf das Kommende beflügelt im besten Sinne des Wortes. Christus ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!
Lasst uns im Glauben geduldig bleiben, wie Maria Sibylla Merian. Denn: Auch aus grauen Raupen werden schöne Schmetterlinge. Frohe und gesegnete Ostern, Gott befohlen!
14. April 2020 MUT MACHEN 28
Ostermorgen
Mir ist ein Stein
vom Herzen genommen:
meine Hoffnung
die ich begrub
ist auferstanden
wie er gesagt hat
er lebt er lebt
er geht mir voraus!
Ich fragte:
Wer wird mir
den Stein wegwälzen
von dem Grab
meiner Hoffnung
den Stein
von meinem Herzen
diesen schweren Stein?
Mir ist ein Stein
vom Herzen genommen
meine Hoffnung
die ich begrub
ist auferstanden
wie er gesagt hat
er lebt er lebt
er geht mir voraus!
Lothar Zenetti
13. April 2020 MUT MACHEN 27
Am Ostersonntagmorgen
haben Birgit und Katrin Bachinger mit ihrer Mutter Doris
die von der Jungschar gestaltete neue Osterkerze
auf den Friedhof an der Ottilienkirche getragen.
Die Posaunen haben Osterchoräle gespielt,
während die Gebete der Hausandacht gesprochen
und die Glocken der Kirche wieder geläutet haben.
Kerzen können auch heute noch an der Osterkerze entzündet
und auf die Gräber der Verstorbenen gestellt werden
– Zeichen der Auferstehung.
Osterlob
wird beim Hereintragen der Osterkerze in die Kirche gesungen
Frohlocket nun, ihr Engel und himmlischen Scharen,
frohlocket, ihr Wunderwerke Gottes.
Die Posaune des Heils erschalle
und preise den Sieg des ewigen Königs.
Es freue sich auch die Erde,
erhellt vom strahlenden Lichte, und
– vom Glanz des ewigen Königs erleuchtet –
erkenne sie, wie auf der ganzen Welt
die Finsternis ist gewichen.
Es freue sich auch die Kirche
im herrlichen Glanze solchen Lichtes
und der Lobgesang seines Volkes
erfülle das Haus unseres Gottes.
Darum, liebe Schwestern und Brüder
Ihr Zeugen des Osterlichts, ruft mit mir an
die Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes, dass er
– der uns zu der Schar seiner Kinder hinzu gezählt hat –
uns mit der Klarheit seines Lichtes erfülle
und unser Loblied bekräftige.
Durch Jesus Christus, seinen Sohn, unseren Herrn,
der mit ihm und dem Heiligen Geist lebt
und regieret von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Die Osterpredigt finden Sie auf der Seite zur Hausandacht an Ostern.
11. April 2020 MUT MACHEN 26
Aufgewachsen im evangelisch-reformierten Bekenntnis konnte ich mit dem Karsamstag, diesem leeren Tag, wenig anfangen. Da passierte nichts. Da fand auch in der Kirche nichts statt. Der trockene Glaube des nördlichen Rheinlands und meines Westfalens hatte dafür eben keine Worte. Wir hielten einfach nur still. Ob es ein Warten war? Nicht wirklich.
Heute – wenn mich die Ostergrüße der Menschen schon am Gründonnerstag oder gar am Karfreitag ereilen, als könne niemand erwarten, dass Ostern wird – wäre ich dankbar für ein stilles Aushalten dieses gewöhnlichen und zugleich ungewöhnlichen Tages der Heiligen Woche – ein Tag ohne … ja ohne was?
Zumindest ein Tag, der sich nicht irgendwie füllen lässt – und wenn doch, dann mit der Leere und dem Aushalten dessen, was keiner von uns aushalten kann, sowenig, wie es die Jüngerinnen und Jünger Jesu aushalten konnten:
Nämlich, dass nur der Tod gelten soll und nichts anderes.
Es gibt Menschen,
die das für die einzige Wahrheit halten können,
die das Leben zu bieten habe.
Ich kann es nicht.
Eberhard Hadem
Karsamstagsgebet
Jesus Christus
Dein Kreuz
Zeichen der Not
Zeichen des Unrechts
Zeichen der Vernichtung
Und doch ist es
nicht das Ende deines Weges
Mache es uns
zum Zeichen des Lebens
und der Hoffnung
Der du lebst und wirkst
in Ewigkeit
Amen
10. April 2020 MUT MACHEN 25
Karfreitagsgebet
Herr Jesus Christus, Gottes Sohn
Du hättest Freude haben mögen
Aber hast erduldet das Kreuz
Und hast die Schande nicht geachtet
Du warst arm um unseretwillen
In Versuchung gleich wie wir
Du warst dahingegeben
In der Sünder Hände
Hast des Todes Bitterkeit geschmeckt
Und auch die tiefste Not der Gottverlassenheit
Du warst gehorsam in deinem Leiden
Bis zum Tod am Kreuz
Du Lamm Gottes
das der Welt Sünde trägt
Erbarme dich unser und errette uns
Und diese ganze Erde von allem Bösen
Und gib uns deinen Frieden
Amen
Die heutige Predigt finden Sie auf der Seite zum Karfreitag.
08. April 2020 MUT MACHEN 24
‚GESUNDHEIT ist das wichtigste‘ sagte man
bevor corona zur epidemie wurde
ist das immer noch so?
niemand möchte krank sein
schon gar nicht am virus erkranken
aber wenn gesundheit das wichtigste wäre
dann gäbe es kein ‚nach corona‘
nicht am 20. april nicht später
auch nicht im herbst
auch nicht 2021
auch nicht viel später
weil wir dann immer noch
erkranken können
wir müssten dann solange
in unseren häusern und wohnungen
allein sitzen bleiben
bis die gefahr vorüber ist
aber: wann wird das sein?
wenn wir alle
einsam pleite arbeitslos nutzlos kraftlos
geworden sind?
wir werden in der kommenden zeit
lernen müssen
abzuwägen
zwischen schutz und freiheit
und das mein schutz und meine freiheit
ihre grenze dort finden
wo der schutz und die freiheit
des anderen beginnt
das war schon immer so
aber es wird ‚nach corona‘
(über)lebensnotwendig werden
wir werden (noch) nicht wissen
was das ‚nach corona‘ bedeutet
und es wird sehr schwierig werden
beim abwägen
eigene und gemeinsame
antworten zu finden
das kann kein staat stellvertretend für uns tun
sondern wird die aufgabe
von jedem einzelnen werden
und von uns allen
der staat hat einen guten job gemacht
denn er hat uns als individuen einer gesellschaft
durch seine rigorosen maßnahmen
daran erinnert, dass
GEMEINSCHAFT das wichtigste ist
gemeinschaft
kann kein staat selber herstellen
jetzt kommt es auf jeden von uns an
Eberhard Hadem
Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt
von Voraussetzungen, die
er selbst nicht garantieren kann.
Ernst-Wolfgang Böckenförde 1964
Rechtsphilosoph und Staatsrechtler
07. April 2020 MUT MACHEN 23
Die Wohnung
Auf diese werden wir beschränkt
Das Nötigste im Freien ist verhängt
Bayern ging voran
andere werden folgen dann
Doch was passiert
wenn es nur noch die eigenen vier Wände gibt
Es wird eng
die Decke drückt
Lasst uns besinnen auf das Eigentliche
unser Lebensglück
haltet zusammen
es helfe jeder wo er kann
Und denkt daran
auch Jesus ging voran
Er hat über alles gesiegt
somit uns auch Corona nicht unterkriegt
Nächstenliebe fängt damit an
sich zu besinnen wie man selber helfen kann
Und bleibt man diese Tage zuhaus
Hilft dies dem Nächsten
vielleicht schon über den Tod hinaus
Spendet Gedanken Trost und Licht
und bedenkt Gott verlässt uns nicht
Christian Güttler, Pfaffenhofen
20. März 2020
geschrieben
fünf Tage nach Verkündung des Katastrophenfalls
abgedruckt
in der Karwoche: „…auch Jesus ging voran“
06. April 2020 MUT MACHEN 22
Irgendwann wird die Frage zu stellen sein,
warum zwar gut besuchte
Wochenmärkte
zur Daseinsvorsorge gehören,
Gottesdienste,
in denen Menschen gestärkt,
getröstet und aufgebaut werden,
aber nicht.
Frieder Jehnes, Pfarrer
Das ist die verstörendste Lektion,
die die anhaltende Virus-Epidemie
für uns bereithält:
Der Mensch ist viel
weniger souverän,
als er denkt.
Slavoj Žižek, Philosoph
05. April 2020 MUT MACHEN 21
Wochengebet für den 6. Sonntag der Passionszeit – Palmsonntag
Wir halten dir unsere Herzen hin, Jesus Christus,
wir strecken dir unsere Hände entgegen.
Wir wollten dir entgegengehen,
wir wollten mit dir laufen
und hineinziehen in deine Stadt.
Aber wir können nur mit unseren Herzen zu dir kommen.
Nur unsere Sehnsucht ist auf dem Weg zu dir.
Nur unsere Gebete.
Sie sind alles, was wir haben.
So beten wir
für die Kranken
für die, denen keine Medizin mehr helfen kann,
für die, die einsam sterben,
für die, die unter der Last dieser Tage zusammenbrechen.
Komm zu ihnen mit deiner Liebe und heile sie.
Höre uns.
So beten wir
für die Menschen, die in Krankenhäuser und Pflegeheimen arbeiten,
in Feuerwachen und Apotheken,
in Kitas und Supermärkten,
in Laboren und in Ställen,
in Ämtern und Gemeinden.
Komm zu ihnen mit deiner Freundlichkeit und behüte sie.
Höre uns.
So beten wir
für die Menschen,
die in der Sorge dieser Tage in Vergessenheit geraten,
die Flüchtlinge,
die Opfer von häuslicher Gewalt,
die Verwirrten und Missbrauchten,
die Hungernden,
die Einsamen.
Komm zu ihnen und rette sie.
Höre uns.
Wir halten dir unsere Herzen hin
und danken dir für den Glauben.
Wir danken dir
dass wir zu dir und zueinander gehören.
Wir danken dir
für die Zeichen der Liebe und Verbundenheit,
für die freundlichen Worte,
für die Musik.
Wir danken dir für dein Wort und deine weltweite Kirche.
Wir wollten dir entgegengehen
und hineinziehen in deine Stadt.
Und wir erleben es:
Du gehst mit uns durch diese Zeit
Heute, in diesen Tagen der Passion,
und jeden neuen Tag.
Amen.
04. April 2020 MUT MACHEN 20
Meine Angst macht das Virus stark
Vertrauen und Hoffnung machen mich stark
Gott sei Dank
Eberhard Hadem
03. April 2020 MUT MACHEN 19
Gebet am Abend
Himmlischer Vater
Du unser Gott
Für uns siehst du Dinge vor
die uns zum Besten dienen
Mit dem was wir nicht wissen
mit dem was wir befürchten
mit dem was uns über den Kopf wächst
vertrauen wir uns dir an
Wandle unsere Angst
und unsere Ungewissheit
in Vertrauen durch Jesus Christus
der mit dir und dem Heiligen Geist
lebt und regiert in Ewigkeit
Amen
Jochen Teuffel, Vöhringen
02. April 2020 MUT MACHEN 18
Bergamo ist eine Stadt in Italien, nordöstlich von Mailand, die besonders unter dem Corona-Virus leidet. Die Zahl der Kranken und der Toten in dieser Gegend ist unverhältnismäßig groß, selbst für den Norden Italiens.
Im Jahr 1630 hat Bergamo schon einmal eine schreckliche Zeit erleben müssen, als die Pest die Stadt in ihren Klauen hatte. Der dänische Schriftsteller Jens Peter Jacobsen hat darüber 250 Jahre später eine Novelle geschrieben ‚Die Pest in Bergamo‘. Eine Geschichte mit einem schrecklichen Ende, wo es am Schluss heißt: „Und das Kreuz stand leer, und das große Werk der Versöhnung ward nie vollbracht.“ Was Jacobsen da erzählt, geht beim Lesen an die Nieren, weil er alles in Frage stellt, wofür der Glaube steht. Er war davon überzeugt, dass Versöhnung mit Gott und auch das Miteinander von einer Seele mit der anderen nie stattfinden werde. Im Gegenteil, das alles sei „eine Lüge“. In Wahrheit, davon ist er überzeugt, ist „eine Seele stets allein.“
Ich erlebe es in den letzten Tagen anders, wenn ich mit Menschen am Telefon spreche oder im Mailkontakt bin. Ja, viele kämpfen mit dem Alleinsein. Manche kämpfen auch damit, dass in der Familie viele auf einem Haufen beieinander sind, aber dennoch jeder für sich ist.
In jedem Gespräch kommt irgendwann der Moment, wo es ums Beten geht, um Fürbitte. Manche erzählen mir, für wen sie beten. Oder sie bitten mich, für sie zu beten. Manche erzählen auch, worüber sie mit Gott sprechen, wie dankbar sie sind, wenn es jemanden an ihrer Seite gibt, der an sie denkt. Sie erkennen, was ihnen trotz allem geschenkt ist.
Wie froh sie sind, dass sie im Garten, im Treibhaus selber etwas anbauen können. Wie sie andere versorgen, ihnen Gemüse an den Gartenzaun stellen. Und wenn sie später wieder hinschauen, dann hat einer mit Sand ein ‚Danke‘ geschrieben. Eine andere mit Blumen dasselbe ‚Danke‘ zu einem Wort gelegt. Der Wind geht darüber, aber im Herzen bleibt es geschrieben: Danke.
Danke, dass eine Seele sich mit einer anderen Seele verbindet.
Diese Hoffnung trägt auch mich. In der Bibel (Hebr. 11) heißt es: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. (…) Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade (…) Der Gott des Friedens (…) mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus.
Gott befohlen
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
01. April 2020 MUT MACHEN 17
Warum unsere Panik das Virus stärker macht
Neulich sagt jemand am Telefon zu mir: „Wissens, Herr Pfarrer, wir werden uns ja wahrscheinlich nicht wiedersehen, deshalb vielen Dank für alles.“
Und ich habe u.a. geantwortet: Je mehr Panik wir schieben, je mehr wir unseren Blick nach unten wenden – desto stärker machen wir das Virus. Weil es ihm dann leichter fällt, in unsere Körperzellen einzudringen. Der Geist ist stärker als das Fleisch, stärker als Materie – vergessen Sie das nicht!
Ein Bakterium ist intelligent, es kann sich teilen und wird immer überleben, wenn es nicht von einem Antibiotikum abgetötet wird.
Ein Virus – auch das Corona-Virus – ist dagegen strunzdumm, alleine kann es nicht überleben. Es hat nur eine unvollständige RNA, d.h. es braucht Wirtszellen, denn nur die können ihm helfen zu überleben.
Der Wirt – in diesem Fall der Mensch – kann es dem Virus leicht machen, wenn er raucht, Alkohol trinkt, Drogen nimmt und vieles andere mehr. Aber auch ohne das alles bleibt noch ein großes Einfallstor für das Virus, nämlich – Stress!
Die größten Stress-Macher sind Sorgen, Kummer, Angst, Überforderung u.a.m. Bei der Stressvermeidung kommt es auf den richtigen Umgang an. Nicht von allem kann ich mich distanzieren.
Deshalb bin ich aber nicht hilflos. Ich kann und soll etwas ganz Anderes tun, um den Stress abzubauen, nämlich Sport, Entspannung und – Musik. Und da am besten die Musik, die ich selber mache. Aber auch gehörte Musik hilft.
Der König Saul wusste um die heilende Kraft der Musik, deshalb sollte der junge David die Leier spielen. Die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes; sie vertreibt den Teufel und macht die Menschen fröhlich, so hat Martin Luther die Bedeutung der Musik für Glaube und Gemüt beschrieben.
Also – raus an die frische Luft, egal, ob mit oder ohne Mundschutz, egal, ob selbst genäht oder aus der Apotheke! Entspannen beim Spazierengehen! Und morgens oder abends ein Lied singen, egal, ob mit anderen oder allein. Und auf jeden Fall Musik hören – richtig bewusst hören und genießen!
Gott befohlen
Ihr/Euer
Eberhard Hadem
31. März 2020 MUT MACHEN 16
ein spätes postkyrie zum sonntag judika
ich vermisse den gottesdienst
vermisse die lieder die gebete
die stille das hören
das tun deines wortes gott
wenn es sich gehör verschafft
zwischen uns
ich entbehre
die gesichter der gottesdienstmenschen
deren wesen mir verborgen ist
und ich nicht weiß
was sie denken und glauben
in jener stunde der gemeinschaft
sie fehlen mir herr
denn ich erinnere mich
wie sie an den worten ziehen
an deinen worten herr
die gut tun oder rätselhaft sind
sehe sie murmeln und kauen
und ich mit ihnen
an deinen worten
herr
der du allein die herzen regierst
und niemand sonst
es ist die nähe und die gesichter
und die zugewandten körper und seelen
die ich vermisse
an sonntagen
und in ihnen
dich
kyrie eleison – herr erbarme dich
30. März 2020 MUT MACHEN 15
Rezept
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.
Für die paar Jahre
Wird wohl alles noch reichen.
Das Brot im Kasten
Und der Anzug im Schrank.
Sage nicht mein.
Es ist dir alles geliehen.
Lebe auf Zeit und sieh,
Wie wenig du brauchst.
Richte dich ein.
Und halte den Koffer bereit.
Es ist wahr, was sie sagen:
Was kommen muss, kommt.
Geh dem Leid nicht entgegen.
Und ist es da,
Sieh ihm still ins Gesicht.
Es ist vergänglich wie Glück.
Erwarte nichts.
Und hüte besorgt dein Geheimnis.
Auch der Bruder verrät,
Geht es um dich oder ihn.
Den eignen Schatten nimm
Zum Weggefährten.
Feg deine Stube wohl.
Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn.
Flicke heiter den Zaun
Und auch die Glocke am Tor.
Die Wunde in dir halte wach
Unter dem Dach im Einstweilen.
Zerreiß deine Pläne. Sei klug
Und halte dich an Wunder.
Sie sind lang schon verzeichnet
Im großen Plan.
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.
Mascha Kaléko (1907 - 1975)
Die Dichterin Mascha Kaléko ist etwa 60 Jahre alt, als sie das Gedicht ‚Rezept‘ schreibt.
1967 wird es zuerst in einer Zeitung veröffentlicht. Im Oktober 1968 wurde es in ihren Gedichtband Das himmelgraue Poesiealbum aufgenommen. Nur wenige Monate zuvor war ihr einziger Sohn Steven ganz plötzlich an einer schweren Krankheit verstorben.
aus: Mascha Kaléko. Sei klug und halte dich an Wunder. Gedanken über das Leben
hg. v. Gisela Zoch-Westphal und Eva-Maria Prokop
7. Auflage 2017 dtv München © 2013 (1975) C.H.Beck, Nördlingen, Seite 7f.
29. März 2020 MUT MACHEN 14
Am heutigen 5. Passionssonntag hätte – ohne Corona – Pfarrer Thomas Hellfritsch aus Hilpoltstein den Gottesdienst mit der Gemeinde in der Ottilienkirche gefeiert. Als kleinen Sonntagsgruß veröffentlichen wir hier seine Gedanken zum Wochenspruch der kommenden Woche:
„Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“
(Matthäus 20, 28)
Der Wochenspruch für die Woche vor uns ist ein Hinweis auf Ostern.
Jesus sagt damit: „Ich bin für euch da, ich stehe zu euch!“ Wie ein Windhauch die einzelnen Samen des Löwenzahns fortträgt, damit sie an verschiedensten Orten keimen und wachsen, so stelle ich mir dieses „Leben geben“ vor, von dem Jesus spricht.
Ostern ist nahe, nur noch zwei Wochen – aber gefühlsmäßig für viele von uns weit weg. Vorgestern habe ich einer Seniorin zugehört. Sie ist in die Kirche gekommen, um eine Kerze anzuzünden und hat erzählt, wie einsam es für sie gerade ist, allein, isoliert in ihrer Wohnung.
Vielleicht ist ja jetzt die Zeit, diese Worte Jesu wieder ganz neu zu entdecken, sie für das eigene Leben fruchtbar zu machen. Vielleicht jemanden anzurufen, den sonst keiner anruft, für jemanden einzukaufen, für den es sonst keiner tut. Einfach Löwenzahnsame sein, irgendwo hinfliegen, fruchtbar sein.
Es sind ja nur noch zwei Wochen bis Ostern.
Ihr Thomas Hellfritsch, Pfarrer
28. März 2020 MUT MACHEN 13
Ich empfinde diese Tage im Ausnahmezustand so, als würden wir gemeinsam
zurückgeworfen auf dieses Grundmoment des Lebens:
Bedürftig und abhängig zu sein.
Man möchte das ja nicht fühlen als erwachsener Mensch.
Schwachheit, angewiesen sein auf Hilfe.
Autonomie ist doch die Errungenschaft meines Lebens.
Und dass wir Lösungen finden für alle Krisen,
das ist der Stolz unserer modernen Gesellschaft.
Jetzt ist es aber nicht so leicht.
Und sie finden sich sicher
– in den Laboren wird auch Hochtouren gearbeitet
an der Entwicklung eines Impfstoffes.
Wir sind gut informiert, was wir tun können,
um uns und andere zu schützen.
Im Grunde aber muss jede und jeder akzeptieren:
So ist das Leben, so bin auch ich geschaffen.
Abhängig, bedürftig.
Es gibt kein Ausweichen.
Das Bild des Kindes, das an der Mutterbrust saugt,
bestimmt unseren Anfang und zeigt zugleich:
Das wird nie aufhören.
Du wirst immer wieder so bedürftig und gefährdet sein wie am Anfang.
Angewiesen darauf, dass dir gegeben wird,
was du dir nicht geben kannst.
Melitta Müller-Hansen, Evang. Morgenfeier in Bayern 1 am 22. März 2020
(in ähnlichen Worten im Fernsehgottesdienst im BR am 22. März 2020)
27. März 2020 MUT MACHEN 12
Ein Wort für Sie!
Evangelische Kirche in Rundfunk, Fernsehen und im Internet
Übersicht zu Kirche in Fernsehen, Radio und Internet
öffentlich-rechtliche Radiosender
private Radiosender
Fernsehen
Ein Ohr für Sie!
Einen Menschen am Telefon erreichen
Ab sofort gibt es ein Sorgen- und Hilfe-Telefon, an dem sich bekannte Gemeindeglieder beteiligen – und Sie entscheiden, wen Sie anrufen möchten:
| | | Vorwahl: 09171 - |
Heidemarie Bächer | täglich | 12 – 14 Uhr | Tel. 5798 |
Stefan Erlbacher | täglich | 18 – 19 Uhr | Tel. 899 469 |
Eberhard Hadem | täglich | | Tel. 971415 |
Susanne Hammer | Di/Mi | 16 – 18 Uhr | Tel. 88963 |
Walter Kanis | Mo/Di | 15 – 17 Uhr | Tel. 70875 |
Helga und Hans Trautner | täglich | 10 – 12 Uhr | Tel. 60808 |
Johanna und Hartmut Vogel | täglich | 19 – 21 Uhr | Tel. 892186 |
Wer lieber mit einem unbekannten, aber dennoch vertrauenswürdigen Menschen telefonieren möchte, kann auch die Telefonseelsorge anrufen:
Telefonnummer 0800 111 0 111 (kostenfrei)
Die Telefonseelsorge steht jeden Tag rund um die Uhr für Gespräche zur Verfügung
Gott befohlen
Ihr /Euer
Eberhard Hadem, Pfarrer
26. März 2020 MUT MACHEN 11
Aus Martin Luthers Gutachten von 1527 zu der Frage:
„Ob man vorm Sterben fliehen möge“
Wohlan der Feind hat uns durch Gottes Verhängnis Gift und tödliche Krankheit herein geschickt,
so will ich zu Gott bitten, dass er uns gnädig sei und wehre.
Danach will ich auch räuchern,
die Luft reinigen helfen,
Arznei geben und nehmen,
Orte und Personen meiden,
da man meiner nicht bedarf,
auf dass ich mich selbst nicht verwahrlose
und dazu durch mich vielleicht
andere vergiften und anstecken
und ihnen so durch meine Nachlässigkeit
Ursache des Todes sein möchte.
Will mich indes mein Gott haben, so wird er mich wohl finden,
so habe ich doch getan, was er mir zu tun gegeben hat,
und bin weder an meinem eigenen
noch an anderer Menschen Tode schuldig.
Wo aber mein Nächster mein bedarf,
will ich weder Orte noch Personen meiden,
sondern frei zu ihm gehen und helfen, wie oben gesagt ist.
Siehe, das ist ein rechter gottesfürchtiger Glaube,
der nicht dummkühn noch frech ist
und auch Gott nicht versucht.
Der Pfarrer zu Breslau, Johannes Heß, hatte Martin Luther um ein Gutachten gebeten, ob man bei herrschenden Seuchen fliehen dürfe. Denn von August bis November 1527 wütete in Wittenberg die Pest. Martin Luther bejahte diese Frage, ja, man dürfe fliehen. Er selbst blieb aber mit einigen anderen Pfarrern in Wittenberg (Quelle: WA Bd. 23, 365-366).
24. März 2020 MUT MACHEN 10
Nachtsegen
gute nacht
ihr mutigen und ängstlichen
gestressten und gelangweilten
ihr witzigen und verliebten
kranken und neugeborenen
ihr lesenden und unleserlichen
ihr fernen und nahen
der abend bricht herein
die stille kammer
da wir des tages jammer
vergessen und verschlafen können
in wunderbaren warmen betten
das ist doch schon was
und die kerze in der küche
um 19 uhr entzündet
mit dem vaterunser (oder dem mutterunser)
besonders für ihn und alle…
gehen wir
in den kommende nacht
und in den morgigen tag
mutig und auf abstand
mit nahem herzen
und einer riesigen hoffnung
gabriele herbst magdeburg
23. März 2020 MUT MACHEN 9
Wie eine Mutter einen Mann, ihren Sohn tröstet, so will ich euch trösten
Bibeltext des 4. Passionssonntag 22. März 2020 – Jesaja 66,13
Solidarität ist so etwas wie mütterlicher Trost für Erwachsene
Melitta Müller-Hansen, Fernseh- und Radiopredigerin
In einem gemeinsamen Wort der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirchen in Deutschland „Beistand, Trost und Hoffnung“ heißt es u.a.:
Wie alle unverschuldete Not, die über die menschliche Gemeinschaft kommt, so kennt auch diese Krise keine Gerechtigkeit. Sie trifft die einen nur ganz am Rande, die anderen, oft genug die Schwachen, aber mit aller Härte. Deshalb, aber auch wegen der notwendigen Isolation der Menschen, sind das Füreinander-Dasein und die Solidarität in dieser Zeit so unabdingbar, um das humane Angesicht unserer Gesellschaft nicht zu entstellen oder gar zu zerstören. (…) Gerade weil in diesen Tagen viele Grenzen und Barrieren zwischen Menschen errichtet werden müssen, dürfen die Grenzen nicht in den Herzen hochgezogen werden. (…)
Als Christen sind wir der festen Überzeugung: Krankheit ist keine Strafe Gottes – weder für Einzelne, noch für ganze Gesellschaften, Nationen, Kontinente oder gar die ganze Menschheit. Krankheiten gehören zu unserer menschlichen Natur als verwundbare und zerbrechliche Wesen. Dennoch können Krankheiten und Krisen sehr wohl den Glauben an die Weisheit und Güte Gottes (…) erschüttern.
Krankheiten und Krisen stellen uns Menschen vor Fragen, über die wir nicht leicht hinweggehen können. Auch wir Christen sind mit diesen Fragen nach dem Sinn menschlichen Leids konfrontiert und haben keine einfachen Antworten darauf. Die biblische Botschaft und der christliche Erlösungsglaube sagen uns Menschen jedenfalls zu: Gott ist ein Freund des Lebens. Er liebt uns Menschen und leidet mit uns. Gott will das Unheil nicht. Nicht das Unheil hat darum das letzte Wort, sondern das Heil, das uns von Gott verheißen ist. (…)
In diesen Zeiten der Verunsicherung begleiten Sie alle unsere Gebete und Segenswünsche! Bleiben Sie behütet an Leib und Seele. Gott segne Sie!
Bonn und Hannover, den 20. März 2020
Bischof Dr. Georg Bätzing
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Landesbischof Dr. Heinrich-Bedford-Strohm
Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
Metropolit Augoustinos
Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland
22. März 2020 MUT MACHEN 8
Geh hin mein Volk
in deine Kammer
und schließ die Tür hinter dir zu
Verbirg dich einen kleinen Augenblick
bis der Zorn vorübergehe
Spruch des Propheten Jesaja
Die heutige Morgenfeier des bayrischen Rundfunks finden Sie hier zum nachlesen oder anhören.
21. März 2020 MUT MACHEN 7
Liebe Gemeindeglieder,
Gemeinsame Gottesdienste in der Ottilienkirche sind für uns leider nicht möglich, auch nicht in der kommenden Woche am 29. März, wo wir uns normalerweise versammelt hätten.
Aber der Bayerische Rundfunk verstärkt deshalb ab sofort seine Angebote.
Kirchenrätin und Pfarrerin Melitta Müller-Hansen, die Beauftragte der ELKB für Hörfunk und Fernsehen in München können Sie am morgigen Sonntag 22. März im Radio und Fernsehen gleichzeitig erleben:
Im BR Hörfunk gibt es – wie jeden Sonntag – im Programm Bayern 1 von 10.05 bis 11.00 Uhr eine Evangelische und eine Katholische Morgenfeier: Pfarrerin Melitta Müller-Hansen spricht über „Mütterlicher Trost für Erwachsene“ und Pfarrer Christoph Seidl aus Regensburg über „Die Heilung eines Blindgeborenen“.
Im BR Fernsehen wird ebenfalls morgen, 22. März, von 10.15 bis 11.00 Uhr aus der Markuskirche in München ein nicht-öffentlicher evangelischer Gottesdienst mit Pfarrerin Melitta Müller-Hansen übertragen.
Und wer wissen will, was es sonst noch in Bayerischen Rundfunk zu religiösen Fragen zu hören und zu sehen gibt, findet hier viele Hinweise aus der Redaktion ‚Religion und Orientierung‘.
Der Leiter der Redaktion schreibt dazu: Die notwendige Minimierung aller sozialen Kontakte darf nicht dazu führen, dass wir uns aus den Augen verlieren. Wir brauchen Zuversicht und Hoffnung statt Depression und Mutlosigkeit. Gottesdienstfeiern auch ohne Publikum können dazu beitragen. Bleiben Sie Viren-frei! Ihr Wolfgang Küpper
Gott befohlen, auch am 4. Sonntag der Passionszeit mit dem lateinischen Namen ‚Lätare‘ – auf Deutsch: Freut euch! Bleibt fröhlich in eurer Hoffnung auf Gott, auch an diesem ersten Sonntag der Ausgangsbeschränkung.
Ihr/Euer
Eberhard Hadem, Pfarrer
20. März 2020 MUT MACHEN 6
Guter Gott
Ich bitte dich drum
dass mich keine Furcht überkommt
Lass mich besonnen
und mit klarem Blick erkennen
was ich hier und heute tun kann
Lass mich gut
für mich
und meine Lieben sorgen
Guter Gott
zeige mir
wie ich anderen Menschen helfen kann.
19. März 2020 MUT MACHEN 5
Ein Kollege von mir schreibt: „Viele gute Ideen in diesen Zeiten, aber es wird inflationär! Ich soll ein weißes Tuch ins Fenster hängen, ich soll eine Kerze ins Fenster stellen, ich soll um 17.10 Uhr die Glocken läuten, ich soll um 19 Uhr auf dem Balkon ‚Der Mond ist aufgegangen‘ singen, ich soll um 21 Uhr Glocken für 5 Minuten läuten, am Sonntag soll ich wie alle anderen (…) um 10 Uhr die Glocken für 7 Minuten läuten (Solidarität!), möchte sie aber auch um 9.30 Uhr läuten, weil das unsere eigentliche Gottesdienstzeit ist… ICH HOFFE, ICH VERGESS NIX!” Ach ja, und alles bitte live streamen!
Ich bin am Tag 4 im Katastrophenfall innerlich noch nicht dazu bereit, am Balkon das Lied vom Mond zu singen. Waren die Italiener mit ihren Hymnen vor einiger Zeit auch noch nicht.
Aber wer weiß, wie es sein wird am Tag 71 oder Tag 163 nach einer womöglich ausgerufenen Ausgangsperre? Vielleicht will ich dann unbedingt hinaus auf den Balkon, um laut diesen wunderbaren Song zu schmettern! Und möchte ihn als Echo von der nächsten Terrasse hören.
Und ja, auch dann werde ich singen, weil ich meine eigene Angst bekämpfe. Aber dann singe ich zuerst(!) für den ganz realen Nachbarn neben mir, der inzwischen tatsächlich erkrankt ist. ‚Und lass' uns ruhig schlafen und unsern kranken Nachbarn auch‘, so hat Matthias Claudius zu Gott gebetet. Und wenn dabei meine eigene Angst etwas kleiner würde, wäre das schön.
Ich will keine einzige der genannten Aktionen kritisieren, die vermutlich auch Menschen berührt haben. Aber lasst uns nicht in einen Aktionismus verfallen, der öffentlich schön aussieht. Sondern lasst uns aktiv Andere in den Blick nehmen, die leicht übersehen werden – dass wir sie sehen, mitnehmen und nicht alleine lassen.
Zum Beispiel sehen Sie rechts oben auf dieser Webseite einen lila Button. Wenn Sie dort draufklicken, erfahren Sie in LEICHTER SPRACHE alles, was es zum Corona-Virus zu wissen gibt, auf gut verständliche Weise erklärt auf der Webseite des Kulturreferats der Stadt Nürnberg. Denn nicht jeder versteht Politikdeutsch oder Wissenschaftsdeutsch. Viel Freude beim Lesen! Und teilen Sie den Link!
Ihr/ Euer
Eberhard Hadem, Pfarrer
18. März 2020 MUT MACHEN 4
Seit heute Mittwoch, 18. März 2020, ist die Ottilienkirche bis auf weiteres
täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet
für Stille, Gebet und das Entzünden einer Kerze
Kerzen stehen zur Verfügung.
Wenn Sie etwas spenden möchten, legen Sie es in die Spendenkirche beim Ausgang.
Bitte halten Sie Abstand, wenn Ihnen Menschen in der Kirche begegnen.
Jede und jeder freut sich über einen freundlichen und achtsamen Umgang miteinander.
Gott befohlen
Eberhard Hadem, Pfarrer
für den Kirchenvorstand der Kirchengemeinde Pfaffenhofen mit Pruppach
Kerzen laden ein zu Gebet und Stille in der Ottilienkirche -
den ganzen Tag von Morgen bis frühen Abend
17. März 2020 MUT MACHEN 3
Die derzeitige Situation in Deutschland ist auch für Kirchengemeinden beispiellos und ohne Vergleich in der Vergangenheit. Uns fehlt jede Erfahrung damit. Wir suchen nach Wegen, wie wir damit umgehen können. Wir brauchen Mitchristen, die uns dabei unterstützen.
- Alle Gottesdienste sind bis auf weiteres abgesagt. Auch am Karfreitag und Ostersonntag finden keine Gottesdienste statt, dafür wird es besondere Zeiten und Orte der Verbundenheit geben (s.u.).
- Alle Taufen und Trauungen werden verschoben.
- Beerdigungen finden in veränderter Form statt (s.u.).
- Die Konfirmation ist auf den 18. Oktober verschoben worden. Wir wollen nicht ‚klein‘, sondern ‚groß‘ und ohne Einschränkungen feiern: Mit allen Familien, der ganzen Gemeinde und den Jubelkonfirmanden.
- Das Gemeindehaus bleibt vorerst geschlossen. Für alle Gruppen und Kreise gilt: Ab sofort finden keine Veranstaltungen im Gemeindehaus statt.
- Alle Chorproben und Chorauftritte sind abgesagt. Gerade Chormitglieder sind aufgrund der Nähe beim Musizieren besonders gefährdet.
-
Dies gilt auch bei Beerdigungen: Es findet kein Gottesdienst in der Kirche statt. Wir gehen von der Leichenhalle mit dem Sarg oder der Urne der Verstorbenen zum Grab; dort findet eine kurze und würdige Feier statt.
Zur Vorbereitung der Beerdigung findet das Trauergespräch im Gemeindehaus statt. Wir werden keine Beschränkungen der Zahl der Teilnehmenden festlegen wie in anderen Gemeinden – darum die dringende Bitte an alle auf dem Friedhof: Bitte halten sie liebevoll einen Abstand von 1 bis 2m ein, reichen Sie einander nicht die Hand, bedrängen Sie niemanden in Ihrer Zuwendung und gehen Sie freundlich miteinander um. Ein Blick, ein Nicken, ein Wort sind jetzt angemessener als alle körperlichen Zeichen des Trostes.
Alle Familien, Freunde und Nachbarn, die einen Angehörigen in den nächsten Wochen begraben müssen, werden zu einem gemeinsamen Trauer- und Gedenkgottesdienst in die Ottilienkirche eingeladen, wenn die Corona-Krise vorbei ist.
- Ab Mittwoch, 18. März, ist die Ottilienkirche bis auf weiteres von 9-18 Uhr geöffnet für Stille, Gebet und das Entzünden einer Kerze. Kerzen stehen zur Verfügung. Bitte halten Sie Abstand – auch in der Kirche. Bleiben sie freundlich und achtsam mit anderen Kirchenbesuchern.
- Jeden Tag um 19 Uhr läuten die Abendglocken der Ottilienkirche und laden ein zum Gebet. Jeder ist eingeladen, innezuhalten, das Vaterunser zu beten und um den Segen des dreieinigen Gottes zu bitten: „Ich bitte dich, Vater, Sohn und Heiliger Geist um deinen Segen.“ (In den nächsten Tagen werden wir weitere Gebete und Segensworte hier einstellen.)
-
Am Karfreitag, dem 10. April, läuten kurz vor 15 Uhr im Gedenken an die Todesstunde Jesu die Glocken. Sie laden ein zum Gebet in unseren Häusern und Wohnungen.
Ab 15 Uhr schweigen dann die Glocken – bis zum Ruf der Auferstehung im Gottesdienst am Ostersonntagmorgen 12. April. (Weitere Einzelheiten dazu werden in der Karwoche vor Ostern hier veröffentlicht.)
- Am Ostersonntag sind Sie in der Zeit zwischen 10 und 12 Uhr eingeladen, auf den Friedhof an der Ottilienkirche zu kommen, eine Kerze an der Osterkerze zu entzünden und diese aufs Grab ihrer Angehörigen zu stellen oder sie mit nach Hause zu nehmen. Menschen, deren Angehörige woanders beerdigt sind, können ihre Kerzen zu einem besonderen Auferstehungs-Ort auf dem Friedhof bringen. (Weitere Einzelheiten folgen in der Karwoche vor Ostern.)
- Die Geburtstagsgrüße der Kirchengemeinde werden derzeit nur per Post bzw. durch persönlichen Einwurf in den Briefkasten verteilt.
- Die Information über die Beschlüsse des Kirchenvorstands wird in den Tageszeitungen und auf dieser Homepage veröffentlicht.
- In der Regel erscheinen täglich Gedanken und Informationen in MUT MACHEN auf dieser Homepage.
Ich bitte Sie/Dich im Namen des Kirchenvorstands um kreative Ideen und guten Rat an meine Mailadresse: Wie können wir als Christen in Pfaffenhofen unsere Verbundenheit im Katastrophenfall stärken? Oder sprechen Sie die Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher an.
16. März 2020
Eberhard Hadem, Pfarrer
im Namen des Kirchenvorstand der Kirchengemeinde Pfaffenhofen mit Pruppach
16. März 2020 MUT MACHEN 2
Die Bayerische Staatsregierung unter Führung von Ministerpräsident Dr. Markus Söder hat heute (16. März 2020) aufgrund der Corona-Pandemie ab sofort den Katastrophenfall für ganz Bayern ausgerufen.
Was das bedeuten wird, können wir alle noch gar nicht einschätzen. Niemand weiß, wie sich das Corona-Virus noch entwickeln wird und welchen exponentiellen Verlauf die Krankheitszahlen nehmen werden.
Der Kirchenvorstand Pfaffenhofen wird in den nächsten Tagen bekanntgeben, was er im Einzelnen für das Gemeindeleben beschlossen hat.
Wichtig ist uns:
Wir werden vieles einschränken müssen.
Wir wollen dennoch so viel Freude und Gottvertrauen wie möglich bewahren.
Wir suchen kreative Lösungen, wie wir unsere Verbundenheit stärken, auch wenn es in den nächsten Wochen eher wenige persönliche Kontakte geben wird.
‚Hand in Hand‘ denken, glauben und leben – das kann auch bedeuten: Einig im Geist Gottes sein, sich verbunden sehen und füreinander zu sorgen.
Und ich freue mich schon jetzt auf die Zeit, wo ich Ihnen und Dir ohne Bedenken wieder die Hand reichen kann!
Wenn wir uns bis dahin weiter fröhlich anlächeln und auch über 1 bis 2 Meter hinweg grüßen – das könnte eine Kultur werden, die uns in solchen Zeiten helfen kann, unsere Verbundenheit als Christen und Bürger/innen in Pfaffenhofen und den Dörfern bewusster wahrzunehmen.
Gott befohlen
Ihr
Eberhard Hadem
13. März 2020 MUT MACHEN 1
Liebe Gemeindeglieder und Bürger in Pfaffenhofen mit Pruppach und den Dörfern,
Auf dieser Webseite wird ab heute i.d.R. jeden Tag eine Botschaft erscheinen, die MUT MACHEN soll. Ermutigende Gedanken und Worte finden hier ihren Platz. Aber auch die neusten Meldungen zum Umgang mit dem Corona-Virus in den Kirchengemeinden werden weitergegeben.
Die aktuellste Pressemeldung unseres Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm ist von heute Sonntagnachmittag 17.00 Uhr:
Der Landeskirchenrat empfiehlt nach seiner heutigen Beratung allen bayerischen Kirchengemeinden dringend, bis auf weiteres auf alle Gottesdienste zu verzichten. Das gilt auch für Konfirmationen, Trauungen und Taufen, mit Ausnahme von Bestattungen.
Diese sehr weitgehende Bitte sowie andere Aufgaben und Herausforderungen wird unser Kirchenvorstand in den nächsten Tagen beraten und beschließen.
Die Kanzelabkündigung heute schließt mit den Worten aus 2. Tim. 1,7:
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Ihr/Euer
Eberhard Hadem, Pfarrer