Hausandacht am Sonntag Reminiscere,
Pfaffenhofen 28. Februar 2021, 9:30 Uhr
Die Hausandacht beginnt mit dem Glockenläuten um 9:30 Uhr, es folgen Begrüßung, Gebet und Lesung. Die Fürbitte geht über ins Vaterunser mit dem Geläut der Vaterunser-Glocke (9:40 Uhr). Nach dem Segen läuten noch einmal die Glocken.
Wenn Dein Kind Dich fragt
Was bedeutet Reminiscere?
Der lateinische Name bedeutet „erinnern“. Wir bitten Gott, dass er sich an seine Barmherzigkeit erinnert, wenn er an uns denkt.
Begrüßung
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Wir kommen zu dir, Gott, aus aller Unruhe, mit so vielen Gedanken, die wir uns machen über das Leben und unsere Welt. Wir kommen zu dir mit unseren Sorgen und Ängsten, mit Sehnsucht und Hoffnung. Wir legen ab, was uns Unruhe macht und auf uns lastet.
Gebet
Gott, ich bin hier (wir sind hier). Und Du bist hier. Ich bete (wir beten) zu Dir im Glauben: Ich bin (Wir sind) verbunden mit Dir. Mit anderen, die zu Dir beten. Genau jetzt. Es ist Sonntag! Wir sind verbunden, auch wenn es niemand sieht. Wir sind verbunden, ganz gleich, was geschieht. Du bist hier bei mir (uns) – das genügt. Amen.
Lesung nach Psalm 34 (in Auszügen)
Dann rief ich: Gesegnet ER, der ist und war und kommen wird.
In meinem Mund sein Name In meiner Seele und Gebeinen –
Und ihr, die ihr auch gebückt geht, hört diese Worte, lebt auf.
Ich habe IHN gesucht und gefunden, Er machte selbst auf – ich strahlte, stammelte heftig.
Er lauschte, lachte, wir schämten uns nicht. Als ob ER Legionen schickte vom Himmel, die mich umringten, so sicher fühlt es sich an.
Lauscht, was ich sage, ihr Menschen, ihr alle: Wenn ihr gut wollt leben – wer nicht –, volle Tage, so glücklich wie nur möglich:
Sprich dann behutsam, sprich nicht ins Blaue hinein und lüge nicht, vermeide heftigen Streit.
Denn dann verzerrt sich vor Wut sein Gesicht,
eine solche Welt will ER nicht mehr. Die IHN rufen, denen schickt ER Antwort, wo ER befreien kann, kommt ER, um zu befreien.
(übertragen von Huub Oosterhuis)
Evangelium des Tages – Joh. 3, 14-18
Jesus sprach zu Nikodemus: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“
Fürbitte (Gebet von Therese von Avila)
Herr der Töpfe und Pfannen, ich habe keine Zeit, eine Heilige zu sein und Dir zum Wohlgefallen in der Nacht zu wachen. Auch kann ich nicht meditieren in der Morgendämmerung und im stürmischen Horizont. Mache mich zu einer Heiligen, indem ich Mahlzeiten zubereite und Teller wasche. Nimm an meine rauen Hände, weil sie für Dich rau geworden sind. Kannst Du meinen Spüllappen als einen Geigenbogen gelten lassen, der himmlische Harmonie hervorbringt auf einer Pfanne? Sie ist so schwer zu reinigen und ach, so abscheulich! Hörst Du, lieber Herr, die Musik, die ich meine? Wenn mein Herz noch am Morgen bei der Arbeit gesungen hat, ist es am Abend schon längst vor mir zu Bett gegangen. Schenke mir, Herr, Dein unermüdliches Herz, dass es in mir arbeite statt des meinen. Und Herr, nimm meine Betrachtung an, weil ich keine Zeit habe für mehr.
In der Stille nenne ich (nennen wir) dir die Namen von Menschen, an die ich (wir) besonders denke/n:
⟩Stille⟨
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Gott sendet mich (uns)
Jesus gibt mir (uns) den Heiligen Geist. Ich atme ein. Ich atme aus. (Wir atmen ein. Wir atmen aus) – ohne Angst. Ich bin (wir sind) umgeben von Gottes Kraft, die alles schafft. Ich verbinde mich (wir verbinden uns) mit dir, Gott, und mit allen, die dich lieben, hier wo ich wohne (wo wir wohnen)
Segen
Halte deine (Haltet eure) Hände offen nach oben und sprich (sprecht):
Gott segne uns und behüte uns. Gott lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Gott erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen.
Predigt am Sonntag Reminiscere,
28. Februar 2021 Roth
Predigtwort: Jes. 5, 1-7 (III)
Liebe Gemeinde,
die Worte der Bibel entführen uns heute in eine lang zurückliegende Zeit. An einen Ort, der auf den ersten Blick so gar nichts mit unserer Passions- und Fastenzeit zu tun hat. Stellen Sie sich eine fröhliche Runde vor, in einem Wirtshaus, es wird gebechert und gelacht. Hin und wieder wird ein Volkslied gesungen. Es ist eine richtig schöne Stimmung in der Bude.
Dann steht einer auf und sagt: Hört mir zu, Freunde, ich singe euch das Lied von meinem Weinberg. ‚Oho‘, sagen einige, ‚von Deinem Weinberg, so, so. Na, dann lass mal hören. Komm, leg los.‘ Der Sänger stimmt an:
“Auf fruchtbarem Hügel / da liegt mein Stück Land, dort hackt ich den Boden / mit eigener Hand, ich mühte mich ab / und las Felsbrocken auf, baute Mauern um den Weinberg, / setzte Reben darauf. Und süße Trauben / erhofft ich zu Recht, doch was [...] im Herbst wuchs / war sauer und schlecht.
Ja, so ist es manchmal, ruft einer im Wirtshaus, du plagst dich ab und was kommt raus? Du gibst dir alle Mühe – und am Ende stehst du blöd da. Der Sänger fährt fort:
Jerusalems Bürger, / ihr Leute von Juda, was sagt ihr zum Weinberg, / was tätet denn ihr da? Die Trauben sind sauer – / entscheidet doch ihr: War die Pflege zu schlecht? / Liegt die Schuld denn bei mir? Ich sage euch, Leute, / das tue ich jetzt: Weg reiß ich die Mauer, / als Schutz einst gesetzt; zum Weiden soll’n Schafe / und Rinder hinein, ich sag euch, die Mauer, / die reiße ich ein!
Hey, rufen einige andere, nun warte doch mal; jetzt schütt‘ doch das Kind nicht mit dem Bade aus! – Doch der Sänger lässt sich nicht beirren:
Schlecht lohnte mein Weinberg / mir Arbeit und Schweiß, den Menschen am Weg / geb’ ich ihn preis. Ich will nicht mehr hacken, / das Unkraut soll sprießen! Der Himmel soll ihm / den Regen verschließen!
Wovon singt er denn jetzt, was meint er? So raunen die anderen untereinander. Singt der jetzt wirklich von seinem Weinberg? Das möchten wir jetzt schon wissen! So hören sie:
Der Weinberg des HERRN / seid ihr Israeliten! Sein Lieblingsgarten / Juda, seid ihr! Gott hoffte auf Rechtsspruch / und erntete Rechtsbruch, statt Gerechtigkeit / nichts als Schlechtigkeit, statt Liebe und Treue / täglich Unrecht aufs neue!
Ganz still ist es geworden. Niemand lacht mehr. Die meisten winken ab, wenden sich wieder grummelnd ihrem Wein zu. Ein paar Menschen sind still und denken nach. Liebe Gemeinde, dieses Weinberglied steht so tatsächlich in der Bibel. Jesaja Kapitel 5: Das Lied vom Weinberg in der Übertragung der Guten Nachricht. Was als Unterhaltung beginnt, endet als Anklage. Im Wein ist offensichtlich doch eine Wahrheit – Jesaja schenkt seinen Zuhörern reinen Wein ein.
Wie kam es dazu? Der Weinberg hatte die beste Lage, von der Sonne verwöhnt. Und der Weinbauer war mit ganzem Herzen bei der Sache. Liebevoll wird der Weinberg bearbeitetet. Er hackt den Boden mit eigener Hand, er setzt Schweiß und Mühe ein. Aus Felsbrocken schichtet er eine Mauer auf, damit der Weinberg geschützt ist vor Tieren und ungebetenen Erntehelfern. Keine Mühe war ihm zu viel und keine Arbeit zu schwer. Alles Menschenmögliche wurde getan für eine gute Ernte. Hat der Weinbauer also etwas versäumt? Die Antwort ist: Nein. Mehr geht nicht. Und doch muss er feststellen: Das ist alles umsonst gewesen. Er ist enttäuscht. Es war alles vergebliche Liebesmühe. Wo die Reben voller Trauben hängen müssten, finden sich nur ein paar unreife Herlinge. Die taugen noch nicht mal für einen sauren Essig, nur zum Wegwerfen. Bis dahin scheint es wirklich nur um einen Weinberg zu gehen.
Aber nun kommt die Wende im Gleichnis: Es geht um uns Menschen! Wir werden mit einem Weinberg verglichen, der keine Früchte bringt. Gott tut alles, was ein Weinbauer tun muss, damit der Garten, also die Menschen, gute Früchte bringt. Das Gleichnis des Jesaja sagt: Wir Menschen bringen das fertig, was in der Natur gar nicht möglich ist, nämlich gar keine Frucht zu bringen. In harten Worten klagt Jesaja seine Zuhörer an:
Gott hoffte auf Rechtsspruch / und erntete Rechtsbruch, statt Gerechtigkeit / nichts als Schlechtigkeit, statt Liebe und Treue / täglich Unrecht aufs neue!
Der Weinberg Israel bleibt hinter den Anforderungen Gottes zurück. Die Reichen leben auf Kosten der Armen. Das ist es, was den Propheten zornig macht. So ist sein Gleichnis verständlich, dass man es Gott, dem Weinbauer, auch nicht übel nehmen kann, wenn er zornig wird über seinen unfruchtbaren Weinberg. Das Weinberglied erzählt, dass der Weinbauer mit diesem Weinberg nichts mehr zu tun haben will. Er will die Mauer einreißen und den Weinberg von Mensch und Tier zertreten lassen. Er hat schon genug Zeit und Mühe verschwendet – jetzt ist Schluss.
Auf mich wirkt das aber eher nicht wie ein göttliches Handeln. Eher andersherum: Menschen handeln oft so. Ziehen einen Schlussstrich und schreiben Menschen ab. Fällen ein vernichtendes Urteil: ‚Bei dem ist Hopfen und Malz verloren‘? Ist das nun wirklich das letzte Wort? Ist Gott tatsächlich wie der Weinbauer, der die Mauern einreißt? Erlösung kommt durch Gericht und Gerechtigkeit, sagt der Prophet (Jesaja 1,27).
Mit meinem Großvater väterlicherseits habe ich als 17-jähriger über die Nazizeit gestritten. Ich war ein Jugendlicher und habe damals die Generation meines Großvaters hart kritisiert. Er hat mir gesagt: ‚Das Böse, mit dem wir Deutsche die ganze Welt überziehen wollten, ist auf uns zurückgeschlagen.‘ Mein Großvater war ein überzeugter Anti-Nazi, wurde denunziert und musste an die Front, obwohl die Familie sechs Kinder hatte. Er kam in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Ohne Adenauer in Moskau wäre er nicht nach Hause gekommen. 25 Jahre danach warf ich ihm und seiner Generation alles Mögliche vor, denn es war leicht, andere nach ihren Taten zu beurteilen und mich selbst nach meinen guten Absichten. Mein Großvater schaute mich an und sagte: ‚Mach es besser, wenn Du dran bist.‘ Entscheidend ist für mich geblieben, was ich von ihm gelernt habe: Es gibt einen Zusammenhang von Taten und Folgen.
Das klingt banal, ist dennoch wichtig. Auch heute. Ein Narr, wer heute glaubt, dass das Flüchtlingselend nichts mit ihm zu tun hat. Nicht mit unserer Weise zu leben, die dafür sorgt, dass auf der anderen Seite der Erdkugel Bedingungen herrschen, in denen es Reichen leicht fällt, die Armen noch schlimmer auszubeuten. Wenn der Chef von Nestle behauptet, dass Wasser kein Grundrecht sei, d.h. dass in Afrika auch die Ärmsten dafür bezahlen müssen – ein Narr, wer glaubt, dass eine solche Haltung nichts mit Fluchtgründen zu tun habe. Ein Narr, wer glaubt, er könne einen Stein ins Wasser werfen und er sei nur für die erste Welle verantwortlich, nicht aber für die anderen.
Die Frage ist: Wie richtet Gott uns Menschen, wie führt er uns zur Wahrheit? Zwischen uns und dem Weinberglied des Propheten Jesaja liegt etwas Neues – nämlich Jesus, in dem Gott sich gezeigt hat, wie er ist. Im Leben, Sterben und Auferstehen Jesu zeigt sich die Wahrheit noch einmal anders. Gottes Gerechtigkeit ist anders, als wir sie manchmal gerne hätten. Der Schrei des Propheten nach Wahrheit, das Gericht Gottes im Lied vom Weinberg – das bleibt Wahrheit. Aber mit Jesus ist nun eine andere Wahrheit. Es ist wahr, dass Erlösung nur durch Gericht und Gerechtigkeit kommt. Es bleibt wahr: Nur wo die Lüge zerbricht, gibt es Leben. Gottes Liebe erreicht mich nicht, wenn ich nicht zu der Wahrheit stehe, wer ich im Urteil Gottes bin. Liebe Gemeinde, das mögen wir nicht hören. Das hätten wir gerne anders. Würde Gott jedoch den Mantel des Schweigens über unsere Unzulänglichkeiten decken, so wäre es keine Wahrheit mehr. Was ist anders geworden, seit Jesus gekommen ist? Nicht den Mantel des Schweigens, sondern den Mantel der Liebe deckt Gott über uns. Gottes Liebe ist darin anders, dass sie uns liebevoll zeigt, wie wir sind. So bleibt die Wahrheit wahr, aber sie kommt anders zu mir.
Jemand hat einmal gesagt: Demut ist in erster Linie Sachlichkeit: So bin ich. Und nicht anders. Nicht, wie ich mich wünsche; nicht, wie ich gerne erscheinen möchte; nicht, wie ich möchte, dass andere mich sehen – sondern sachlich und nüchtern: So bin ich. Ich erkenne mich, wie ich wirklich bin. Sich so zu erkennen, macht niemand freiwillig. Deshalb gibt es Passionszeit im Kirchenjahr und im Leben. Fastenzeiten, die mir helfen, mich zu besinnen. Ich schließe mit einem jüdischen Witz:
Ein frommer Rabbi liest im Talmud, jener Sammlung von verschiedenen Auslegungen der Bibel, eine merkwürdige Stelle, wonach Männer mit dickem Bart dumm sind. Er ärgert sich, denn sein eigener Bart ist der reinste Kehrbesen. Aber schließlich kann man dem abhelfen. Das Abrasieren ist einem frommen Juden zwar nicht gestattet, doch wo steht geschrieben, dass man den Bart nicht ein wenig absengen dürfe? Also zündet er vorsichtig seinen Bart an. Als er von den Brandwunden im Gesicht wieder gesund geworden ist, lässt er sich seinen Talmud bringen und schreibt an den Rand bei der Stelle über die Dummheit der Dickbärtigen: Geprüft und bestätigt gefunden.
Ich wünsche Ihnen und mir, dass unsere Erkenntnis über uns selbst nicht ganz so schmerzhaft, aber von solchem Humor der Selbsterkenntnis gesegnet ist wie bei diesem Rabbi. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Eberhard Hadem / 27.2.2021