Predigt am 7. März 2021 in Roth im Gottesdienst zum 1700. Geburtstag des Sonntags als Atemholtag,
Pfarrerin Elisabeth Düfel

Das Predigtwort kommt aus dem 1. Buch Mose im 2. Kapitel:

Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.

Liebe Gemeinde!

Haben sie sich das schon einmal bildlich vorgestellt? Gott bei der Arbeit mit erdbehafteten Händen, er arbeitet mit Erde, dreht und wendet sie, formt sie in seinen Händen, wie ein Töpfer seinen Ton. Der Töpfer schaut sein Gefäß immer wieder an, hier und da fehlt noch etwas, da fehlt noch ein Schliff, und dann ist das Gefäß fertig, er betrachtet es liebevoll, und freut sich daran, viel schöpferische Kraft ist da hineingeflossen. So stelle ich mir das vor mit Gott, als er den Menschen geschaffen hat.Vielleicht stört sie dieser Gedanke, zu menschlich von Gott gedacht, Gott ist doch viel größer. Ja, genau, Gott ist viel größer als alles was wir uns vorstellen können, und zugleich denkt die Bibel manchmal ganz menschlich von Gott – Wir sind ja sein Ebenbild, sein Gegenüber, auf Augenhöhe.

Gott hat aus Erde einen Menschen geformt – alles extra modelliert, die Arme und Beine, den Rumpf, das Gesicht, sich Gedanken gemacht, wie sein Mensch aussehen soll, mit viel Liebe und Schöpferkraft. Ein Beter in den Psalmen spricht das aus in einem Zwiegespräch mit Gott:

Du hast mich gebildet im Mutterleib. Ich danke dir, du hast mich wunderbar gemacht, wunderbar sind deine Werke. Manchmal kommt das Menschen vielleicht nicht so leicht über die Lippen, weil das ein oder andere einen an sich stört, weil man vielleicht eingeimpft bekommen hat irgendwelche Ideale, was angeblich schön ist und was nicht. In dieser Geschichte aus der Bibel wird das Lob über einen Schöpfer Sprache, drückt ein Mensch aus, wie er sich erfährt als einen liebevoll geschaffenen Menschen. Können wir das auch so von uns sagen? Du hast mich gebildet im Mutterleib. Ich danke dir, du hast mich wunderbar gemacht, wunderbar sind deine Werke.

Und dann diese Szene: Der geformte Mensch liegt auf der Erde, Gott betrachtet ihn wie der Künstler sein Werk und dann stellt er fest, es fehlt noch etwas: die geformte Erde lebt noch nicht, ist nicht lebendig. Und dann beugt sich der Schöpfer herunter, vielleicht kniet er neben dem geformten Menschen, wie sollte er sonst an seine Nase kommen – und wendet sein Gesicht dem Gesicht des Menschenkörpers zu von Angesicht zu Angesicht und haucht ihm den Lebensodem in seine Nase – ruach – das ist das hebräische Wort der Bibel für diesen Lebensodem Gottes.

Ich sehe eine Mutter, einen Vater vor mit, wie sie liebevoll den Kopf ihres Kindes in beide Hände nehmen, einander ganz nahe kommen und ihm einen Kuss geben – oder wenn zwei Menschen, die sich lieben, in dieser Weise einander begegnen.

Es erzählte mir jemand, als sie ihrem Vater das letzte Mal begegnete, ohne dass sie wusste, dass das das letzte Mal war, nahm er ihr Gesicht in seine Hände schon als Erwachsene und sagte zu ihr: Leb wohl mein Dirn – eine hanseatische liebevolle Ausdrucksweise für die Tochter. Und sie erzählte, dass sie diese Erfahrung, dieses Bild wie einen Mantel umhüllt hat, sie atmen ließ in den Stürmen ihres Lebens. Der liebevoll von Gott angehauchte Mensch, dem Gott ganz nahe kommt, wird lebendig, er atmet tief ein, die Luft füllt seine Atemräume, alles ist vorbereitet, die Atemräume warten buchstäblich in seinem Körper darauf beatmetet zu werden, von den Nasennebenhöhlen bis hinein in den Brust– und Bauchraum, die Lungen, von Atem durchströmt zu werden, vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. In der Atemtherapie heißt es manchmal: Atmen sie dorthin, wo sie Verspannung spüren, schicken sie den Atem dorthin. Der ganze Körper kann atmen.

Und dann richtet der von Gott beatmete Mensch sich auf, er steht auf seinen Füßen, spürt den Boden, der ihn trägt und steht aufrecht, frei, mitten in der Welt, Gott gegenüber. Welche Würde, welche Schönheit ist ihm eigen.

Liebe Gemeinde, der Atem ist unsere Lebensader, gerade jetzt in diesen Maskenzeiten merken wir es umso mehr und wie sehr freuen wir uns, wenn wir nach dem Gottesdienst draußen die Masken abnehmen können. Der Atem ist mehr als die Luft, die wir atmen, mehr als die chemische Zusammensetzung von 78% Stickstoff und 21% Sauerstoff und Wasserdampf und anderen Gasen. Der Atem erinnert uns an unser Geschöpf sein. Dass wir leben, ist Geschenk.

Der Atem erinnert uns an die Liebe, mit der wir gemacht sind. Der Atem verbindet uns mit unseren Mitgeschöpfen, wir alle leben von demselben Atem, dem Lebensodem Gottes, den er uns in die Nase eingehaucht hat. Selbst wenn wir uns derzeit vor dem Atem der anderen schützen müssen, der Atem zum Träger von Viren werden kann und diese Viren die Lungenbläschen entzünden können und der Gasaustausch nicht mehr so stattfinden kann wie er sollte und die Lunge Schaden nehmen kann…

Die Würde, die ein Mensch durch seinen Atem hat, kann ihm auch der Virus nicht nehmen, keine Maske. Der Atem ist mehr als die Luft, die wir atmen, er spiegelt etwas von unserer Seele, von unserer Lebenssituation, wir haben vorhin davon gehört: wenn der Atem stockt, wenn wir atemlos werden, dann sagt das etwas über meine Situation, oder wenn ich aufatmen kann, der Atem fließt… Der Atem ist sozusagen ein Barometer, wie es uns geht. Auf ihn zu achten, kann heilsam sein.

Vielleicht kam ja Gott auch außer Atem bei den Anstrengungen seiner Schöpfungswerke und brauchte einen Atemholtag – der siebte Tag ist der Ruhetag und er gab ihn weiter an seine Geschöpfe. Wie wichtig er ist, das bestätigen die Ärzte und Therapeuten, in den verschiedenen Weltanschauungen und Religionen spielt er eine wichtige Rolle. Und auch schon beim römischen Kaiser Konstantin hatte sich das herumgesprochen. Am 3. März im Jahr 321 rief er den Tag der Sonne als arbeitsfreien Tag aus, am vergangenen Mittwoch wurde der 1700. Geburtstag des Atemholtages gefeiert, des Sonntags als arbeitsfreiem Tag. Auch wenn heute das längst nicht mehr für alle Menschen zutrifft, und viele genau jetzt z.B. arbeiten auf den Stationen in den Krankenhäusern, so erinnert uns der Sonntag daran, dass wir Zeit brauchen um Atem schöpfen zu können, auch alle, die am Sonntag arbeiten, brauchen es, um sich zu regenerieren – nicht nur am Sonntag, sondern auch zwischen drinnen.

Der Sonntag ist für uns Christen zugleich auch der Tag der Auferstehung Jesu, an dem Gott Jesus neues Leben eingehaucht hat, der erste Tag der Woche, das Vorzeichen für die Arbeitswoche ist neues Leben, Auferstehung. Wir haben unseren Therapeuten immer bei uns – unseren Atem am Sonntag und den Werktagen.

Wenn im Homeoffice sich eine Zoomsitzung an die andere reiht, ein Arbeitsauftrag nach dem anderen kommt, ob wir nun Erwachsene, Schüler oder Kinder sind: kleine Atemholpausen einlegen, die Fenster öffnen, die Nase nach draußen stecken, ein paar Mal frische Luft einatmen und beim Ausatmen bewusst die Anspannung mit ausatmen – das kann heilsam sein. Aufatmen lassen.

Und wir können aus der Atemübung ein kleines Gebet machen, Gott anreden, mit dem Einatmen den Satz verbinden: „du in mir“ und mit dem Ausatmen „ich in dir“. Es kann mich wieder erden, mich verbinden mit Gott als meiner Kraftquelle, mich bergen in seiner Nähe. Es kann mich ins Zwiegespräch bringen mit meinem Schöpfer, der mich liebevoll ansieht und wunderbar gemacht hat.

Und wenn ich Zeit habe, zu einem Spaziergang draußen in der Natur – warum nicht einfach einmal stehenbleiben, das Gesicht in die Sonne halten tief ein und ausatmen – ein Atemgebet sprechen.

Und wenn uns jemand begegnet: Was machen sie denn da? Dann könnten wir ja sagen: Ich schöpfe Atem. Ich lebe. Gott sei Dank! Vielleicht stellt er sich ja dazu und wir legen gemeinsam eine Atemholpause ein und gehen gestärkt unserer Wege – mit Gott in uns und um uns und zwischen uns.

Amen