Predigt am Sonntag Invocavit,
21. Februar 2021 in Roth von Pfarrerin Elisabeth Düfel
Predigtwort: Offenbarung 21,6
Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle lebendigen Wassers umsonst.
Liebe Gemeinde!
Kennen Sie das auch? Sie sind unterwegs zu Fuß auf einer Wanderung. Es ist heiß, der Schweiß steht auf der Stirn, das T-Shirt ist durchgeschwitzt, Erschöpfung im ganzen Körper, die Beine sind schwer, die Füße heiß gelaufen, der Kopf brummt, der Rucksack drückt, boa, ist das anstrengend, kommt aus den Mündern von Mitwandernden. Wie gut das tut, das auszusprechen, zu merken, dass man da nicht alleine ist mit seinen Empfindungen. Ein anderer kann vielleicht nicht viel sagen, aber auch er merkt, da sind andere, denen geht es wie mir. Es ist einfach heiß.
Und dann völlig unverhofft, stoßen sie auf eine Quelle und einen rauschenden Bach. Er ist einfach da, das Wasser fließt heraus für jeden, umsonst. Was für eine Wohltat, schnell findet jeder einen Sitzplatz, die Schuhe werden von den Füßen gelöst, die Strümpfe ausgezogen, es dampft regelrecht aus den Schuhen, und dann das kühle Nass auf den Füßen, den Armen, der Stirn, und das kühle Wasser mit den Händen schöpfen, spüren, wie es kühl und erfrischend die Kehle herunterläuft. Das sind zwei Pole unseres Lebens.
In der Zeitung, der RHV, stand gestern im Magazin ein Artikel „Vom Ach und Weh“. Es steht beschrieben: Das Jammern stand früher in keinem günstigen Ruf. Das Leben war zu ertragen in Demut, das Äußern der Empfindungen angesichts der Lebensumstände war verpönt. Das hat sich längst geändert, und Gefühle zu äußern, das ist wichtig, zu sagen wie es einem geht. Boa, ist das anstrengend, ist das heiß, ist das eine schwierige Situation im Moment.
Gewiss, man kann sich darinnen festsetzen, darum geht es jetzt aber nicht, und auch den Psalmen nicht, wenn sie uns Worte geben für unseren Durst nach Leben: Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir aus trockenem dürrem Land, wo kein Wasser ist.
Ich erlebe es gerade bei ganz vielen Menschen und auch an mir selber, wie ausgetrocknet vieles sich anfühlt, Dürre, die vielleicht vorher schon da war, kommt verstärkt zu Tage.
Die Psalmen geben uns Worte, die Niedergeschlagenheit, die Dürre zu spüren, zu empfinden, sie nicht bei mir zu lassen, sondern sie hinauszurufen, Gott regelrecht anzuschreien. Haben Sie das schon einmal gemacht, Gott angeschrien? Das ist auf alle Fälle besser als den nächsten Menschen, der mir über den Weg läuft. Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Oder sagt da eine innere Stimme wie sie es vielleicht in einer Kirche sagen würde: Du musst leise sein in der Kirche, hier darf man keinen Krach machen, hier wohnt Gott. Gott anschreien, das darf man nicht.
Die Psalmen lehren mich etwas Anderes. Ich bin mit meinem Durst nach Leben, mit allem, was damit zusammenhängt, nicht mir selbst überlassen, ich muss es nicht bei mir behalten, es kann raus und es darf raus. Ich bin wahrgenommen, angesehen damit. Jesus hat am Kreuz seine Schmerzen, sein Leiden hinausgeschrien: Mich dürstet! Der Blick in der Passionszeit auf das Kreuz Jesu lehrt mich dieses Vertrauen. Da ist jemand, der weiß wie das ist.
Und das Wunder ist, dieser Ort, wo ich alles hinausschreien darf und kann, er ist die Quelle. Der Durstige soll lebendiges Wasser bekommen. Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle lebendigen Wassers umsonst! Lebendiges Wasser fließt für mich, es ist da, so wie für die Wanderer am Wegesrand die Quelle. Gottes Wasser trägt seine Mineralien für uns. Jedes Wasser hat Mineralstoffe, Calcium, Magnesium, Natrium, etc. Gottes Mineralien für uns – wie schmecken sie? Freundlich und nach Güte, nach Licht und Erbarmen. Sein Wasser schenkt die Spurenelemente seiner Gerechtigkeit und seiner Liebe. Gott verströmt sich, es fließt aus ihm heraus, wir sollen lebendig leben. Lebendig sein, das ist ja mehr als am Leben sein. Bei ihm kann meine Lebendigkeit erwachen, er deckelt mich nicht. Er hebt mich in mein Element – ganz in meinem Element zu sein, da bin ich lebendig, nah an meinem inneren Gespür – mit allem, was in mir ist.
Ich erlebe es so, dass ich in der Begegnung mit Gott belebt werde. Er ist da, für mich, ich trage sein Antlitz, bin sein Ebenbild.
Ich traf eine Frau beim Spazierengehen, wir kamen ins Gespräch, wir teilten Gedanken, Erfahrungen, sie erzählte von einer Krebserkrankung, wie der Krebs von heute auf morgen ihr Leben bestimmte, und alles anders war, Durst nach dem alten Leben da war – wieder solche Dornen, ihr Weg hatte sie schon über viele Dornen geführt – Trennung, Enttäuschung, am Boden sein. Sei erzählte, wie sie ins Gespräch mit Gott ging – es war ein Weg – aber sie ging ihn, es kam etwas in Bewegung, es ging aus ihr heraus. Und sie erzählte wie sie einmal spazieren ging, ihr Gesicht in den Himmel wandte und sie ihr Gesicht wie im Spiegel in Gottes Gesicht sah und sie Gottes Angesicht in ihrem Angesicht spürte.
So angesehen, so wertgeschätzt – und sie spürte Leben, wie wenn man an einer Quelle das Gesicht mit Wasser benetzt nach einem heißen Weg, sie fing an neu zu leben, es begann in ihr wieder etwas zu fließen, was wie blockiert erschien, vertrocknet.
Sie schrieb ein Danktagebuch, sie fing an die Wassertropfen des frischen Wassers in ihrem Leben zu entdecken, ihren Atem, das Riechen der Frühlingsluft, die warmen Strahlen der Sonne auf ihrem Gesicht, Menschen an ihrer Seite, Gespräche, in denen sie sein konnte wie mit dem, was in ihr war, das Gespräch mit Gott auf Augenhöhe. Sie erzählte mit leuchtenden Augen: es ist alles da, was meinen Durst löschen kann, ich habe es wiederentdeckt. Umsonst, nichts geben müssen, es ist genug da wie für die Wanderer, die an die Quelle kommen.
Ich möchte dieses Genug hineinlegen in meine Mangelsätze „Ich bin nicht genug, nicht geliebt genug, nicht gut genug, nicht gläubig genug…“ Umsonst! Ich muss noch nicht einmal einen Antrag stellen, oder um einen Rabatt bitten oder um einen Zuschuss, mich beschenken lassen, wo ich mich nicht wertvoll fühle. Wo erlauben wir uns im Leben umsonst zu nehmen und zu geben?
In diese Überlegungen legt sich ein Satz: Das haben wir noch nie probiert – also geht es sicher gut! So spricht Pippi Langstrumpf bzw. Astrid Lindgren im Munde von Pippi. Was für eine wilde Hoffnung! Eine Hoffnung für das Unerprobte. Wir sind noch nicht darinnen geübt und darum wird es sicher gut.
Stellen wir es uns einfach vor: Wir gehen mit so einer Auffassung in die nächsten Wochen. Mich so unerprobt einlassen auf das Kommende und auf das Umsonst der Quelle Gottes. Schöpfen aus Gottes Liebesstrom, der hindurchströmt auch durch diese dürren Zeiten, sein nährendes Wort uns einverleiben, seinen freundlichen Blick in uns aufnehmen, sein stillendes Grüßen in der Schöpfung für uns erkennen, sein Du, zu dem ich sprechen kann.
Wenn es Nacht ist in meinen Gedanken und Gefühlen, wenn ich denke, Gott löst nicht ein, was er verspricht, es gibt zu viel Durst, wenn ich geneigt bin, sein Angebot mit einer Werbung zu verwechseln, die ein gesundes Leben mit weißen Zähnen verspricht. Auch wenn es Nacht ist: die Quelle ist da! In allen Umnachtungen und in allem Unerprobten lasst uns gehen mit unserem Durst zur nie versiegenden Quelle, dann wird es sicher gut. Amen
Ich bitte euch auch aufzustehen, euch auf eure Füße zu stellen. Lasst uns unseren Glauben an Gott bekennen mit den Worten aus unseren Tagen:
Glaubensbekenntnis
Wir glauben an Gott,
den Ursprung von allem, was geschaffen ist,
die Quelle des Lebens, aus der alles fließt,
das Ziel der Schöpfung, die auf Erlösung hofft.
Wir glauben an Jesus Christus,
den Gesandten der Liebe Gottes, von Maria geboren,
ein Mensch, der Kinder segnete, Frauen und Männer bewegte,
Leben heilte und Grenzen überwand. Er wurde gekreuzigt. In seinem Tod hat Gott die Macht des Bösen und des Todes gebrochen und uns zur Liebe und zum Leben befreit. Er ist in unserer Mitte und ruft uns auf seinen Weg.
Wir glauben an Gottes Geist,
Weisheit von Gott, die wirkt, wo sie will. Sie gibt Kraft zur Versöhnung und schenkt Hoffnung, die auch der Tod nicht zerstört. In der Gemeinschaft der Glaubenden werden wir zu Schwestern und Brüdern,
die nach Gerechtigkeit suchen. Wir erwarten Gottes Reich.
Amen.