Predigt am Pfingstsonntag
31. Mai 2020 Pfaffenhofen 10 Uhr

Predigtwort: Apg. 2, 1-5 + 11
Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. [Und die Menschen sprachen:] Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden.

Liebe Gemeinde an Pfingsten

Und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist… und jeder damals hörte sie in seiner eigenen Sprache die großen Taten Gottes verkünden. Der Heilige Geist hat aus einfachen Fischern an jenem Tag in Jerusalem Prediger gemacht. Und dennoch: Sie predigen so, dass die einen sich ansprechen lassen und überwältigt sind – und die anderen lachen und sehen nur Betrunkene. Eindeutig ist da gar nichts: am selben Ort zur selben Zeit erleben Menschen dasselbe unterschiedlich.

In der Pfingstpredigt hören die Menschen in ihrer eigenen Sprache von den großen Taten Gottes. Wie schauen die aus? Liebe Gemeinde, du brauchst den Geist Gottes um zu verstehen, dass die Welt das Gegenteil von einem Saustall ist. Hast du den heiligen Geist nicht, kann sie genau das für dich sein: eine Hölle, ein Müllplatz, ein Saustall.

Gegen diese heillose Sichtweise will ich die Erzählung von den großen Taten Gottes wiedergeben, in der Hoffnung, dass aus ihr – zu euch und zu mir – der Geist Gottes spricht. In der Schöpfungsgeschichte wird gesagt, dass die Erde eine Wüste war, tohu wa bohu, wüst und leer, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Die Welt eine Hölle, ein Müllplatz, ein Saustall. Und nun kommt der allmächtige Gott und zieht Grenzen: er trennt Licht und Finsternis, Trockenes und Wasserreiches, Erde und Himmel. Und dann füllt er alle Bereiche mit prallen vielfältigem Leben, jedes in sich ein Wunder. Er trennt sie voneinander, sie unterscheiden sich, und das ist gut so.

Gott lässt auch nicht das Licht einfach immer weiter Licht sein, sondern er zieht wieder eine Grenze. Denn das Licht war aufgewacht und sagte sich: Nun, was werde ich heute wohl alles machen? Und das Licht sprang hierhin und dorthin, war ständig in Bewegung, es gab so viel zu tun und wer wusste schon, wie lange man Zeit hatte, was zu tun! Zeit ist Geld, sagte sich das Licht und verdoppelte seine Kräfte. Es rannte von Osten nach Süden bis gen Westen, und es ärgerte sich, dass es den Norden so wenig erreichen und erhellen konnte – und wurde doch nach einer Weile immer müder und ausgelaugter. Bis zur völligen Erschöpfung kämpfte das Licht gegen die Dunkelheit bis es fast im kosmologischen Burnout stand – da zog Gott eine Grenze und sagte zu dem Licht: Tag. Und zur Dunkelheit: Nacht. Und so begrenzte Gott seine Allmacht und mit ihr auf heilsame Weise seine Schöpfung. Das Licht war froh und fragte nicht mehr: Was soll ich jetzt noch machen? Und es beklagte sich nicht mehr bei Gott: Warum hast du mich nicht perfekt und allmächtig gemacht?

Liebe Gemeinde, nun schwebte der Geist nicht mehr über den Wassern, sondern er war mittendrin in der Schöpfung und den Geschöpfen – aber nicht so, dass er das Licht fähig machte, alles zu machen und immer zu können, sondern er rettete das Licht vorm Ausbrennen und nannte es Tag. Und seit diesem ersten Schöpfungstag rettet Gott die Welt davor, dass sie eine Hölle, ein Müllplatz, ein Saustall wird. Denn das Paradies war nichts anderes als ein Garten, ein abgegrenzter Ort, ein Ort der Rettung.

Gottes Allmacht besteht darin, dass er sich begrenzt. Seine Allmacht hat nur ein Ziel: Diese Welt und dich und mich mit ihr zu retten. Und wir sollten dankbar sein, dass Gott sich begrenzt in seiner Macht. Denn täte er es nicht, könnte diese Welt und ich und du große und kleine Bauernopfer werden, weil Gott dann Größeres vorhätte, nämlich die perfekte Welt zu schaffen. Und ich weiß nicht, ob ich darin noch einen Platz hätte. Ihr Pfaffenhöfener vielleicht schon, aber auch da bin ich mir nicht sicher. Gott rettet seine Welt und dich und mich, weil er sich in seiner Macht begrenzt und sagt: Dich, Mensch, will ich retten. Es ist so viel von Gottes Liebe und Schöpferkraft in dieser Welt und in dir und mir, dass Gott etwas von sich selbst töten müsste um die perfekte Welt zu schaffen.

Liebe Gemeinde, das Leben ist in allen Facetten, mit allen Zufallsschlägen ein beseeltes Schöpfungswerk, in dem Gott drinsteckt. Das Bild von den Flammen des Heiligen Geistes, die auch auf unsern Köpfen tanzen sollen wie damals in Jerusalem, bedeutet für mich, dass sich unter unserer Schädeldecke diese Erkenntnis zusammenbraue, wir miteinander und mit Gott ins Gespräch kommen.

Gott ist sich nicht selbst genug, er lässt sich auf uns Menschen ein. Gott hätte auf die Menschheit verzichten können, aber er will Menschen, die mitfühlen, die mitmerken, mitberaten, mitdenken. Der winzig kleine Ausschnitt deiner und meiner Kräfte ist Teil des großen Energiehaushalts Gottes.

Du und ich, wir gehen um mit Energien der Allmacht. Solltest du das nicht glauben, dann sage ein einziges böses, erniedrigendes Wort zu einem Kind, dass es ein nichtsnutziger Depp sei und du würdest merken, wenn du aufmerksam wärst, wie dieses Urteil – in vielleicht sehr verständlicher Wut gesprochen, aber eben doch ausgesprochen – ein allmächtiges Wort ist, das die Seele eines Kindes zu einer Hölle machen kann. Und vielleicht hast du es selbst gehört und spürst noch heute seine Allmacht. Dann denke daran: Gott begrenzt seine Allmacht und damit sind auch solchen Vernichtungsurteilen eine Grenze gesetzt: „Christus hat einmal den Tod besiegt, alles Grauen währt nur bis zum dritten Tag und jede Vernichtung ist eingeschlossen in seine und unsere Auferstehung.“ (Teil einer Inschrift an der Michaelskirche der Kommunität CCR am Schwanberg). Entweder wir retten auf vielfältige Weise oder wir töten auf vielfältige Weise, ein Drittes ist nicht. Mit meinem und deinem Tun schreiben wir die Geschichte der Macht Gottes mit: Wir retten oder wir retten nicht. Gott hat uns Menschen so gemacht, dass er sich ergießt in unsere Hände, Leiber, Seelen, Köpfe. Wir schaffen nicht selbst die neue Erde, die neue Schöpfung, sondern wir bezeugen die Herrschaft Gottes in dieser Welt: Die einen sehen sie als sinkende Titanic – und wir dürfen sie die Arche Noah sehen.

Wir sind nicht das Licht, das in seinen Allmachtsphantasien glaubt, alles tun zu können, sondern auch wir leben von den Grenzen: Wir tragen die Güte Gottes, sein Evangelium, in diese Welt. Und was daraus Reich Gottes in unserer Welt wird, ist unserer Macht entzogen.

Der in allem mächtige Gott wirkt mit seinem Geist in uns, in seinen Geschöpfen, in seiner Schöpfung. Durch uns alle zieht der Heilige Geist, der Strom Gottes, wovon wir alle Rinnsale sind. Wir sind Gottes Depots in der Welt, unsere Begabungen sind uns ausgeteilt von seinem Schatz. Gottes Geist verkörpert sich in uns. Er wirkt in uns – wir müssen uns nur brauchen lassen von Gott, mit Verstand, Gefühl und Handeln.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Eberhard Hadem
31.5.2020